Wie steht sie zu Obamacare, und was ist ihre Position in der Abtreibungsfrage? Diese und viele andere Fragen muss Amy Coney Barrett derzeit im Justizausschuss des US-Senats beantworten. Dort findet diese Woche die Anhörung für Barrett statt. Sie ist die konservative Kandidatin von Präsident Trump für das Oberste Gericht der USA, den Supreme Court.
Wer wegen des vergifteten politischen Klimas einen harten Schlagabtausch erwartete, wurde enttäuscht. Der Ton blieb stets höflich. Enttäuscht wurde aber auch, wer mehr erfahren wollte, über die Haltung von Barrett zu kontroversen Themen. Die 48-jährige Richterin aus dem Bundesstaat Indiana wich Fragen zu Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe oder zum Waffenrecht konsequent aus.
Keine konkreten Antworten
Sie dürfe als Richterin frühere Urteile, wie zum Beispiel das Abtreibungsurteil Roe versus Wade, nicht kommentieren. Und auch über anstehende Entscheidungen des Gerichts könne sie nicht sprechen. Denn sie würde ihre Unabhängigkeit verlieren, wenn sie öffentlich über Positionen sprechen würde, sagte Barrett wiederholt.
Ihre persönlichen Überzeugungen als Konservative und als gläubige Katholikin, so betonte sie, spielten bei ihrer Urteilsfindung keine Rolle. Bei dieser lasse sie sich nur vom Wortlaut der Gesetze leiten und von den relevanten Präzedenzfällen. Die Aufgabe des Gerichts sei nicht die Gesetzgebung, sondern die Anwendung des Gesetzes, so wie es von seinen Verfassern niedergeschrieben worden sei.
Für diese Aussagen erhielt Barrett viel Lob von den republikanischen Senatoren. Diese lobten ihre Fachkompetenz und priesen Barrett als Mutter von sieben Kindern, davon zwei Adoptivkinder aus Haiti und ein Kind mit geistiger Behinderung. Sie bezeichneten die Besetzung des vakanten Sitzes im Obersten Gericht kurz vor den Wahlen als normalen Vorgang und widersprachen den Demokraten, die ihnen vorwarfen, frühere Versprechen zu brechen, wonach freie Richterposten erst nach den kommenden Wahlen besetzt werden sollten.
Bestätigung nicht verhinderbar
Verhindern können die Demokraten die Bestätigung Barretts nicht mehr. Sie nutzten deshalb die mediale Aufmerksamkeit, um ausgiebig über ihre Wahlkampfthemen zu sprechen, vor allem über Obamacare. Denn das Krankenversicherungsgesetz, das von Präsident Trump und den Republikanern bekämpft wird, hat ihnen bereits vor zwei Jahren grosse Wahlgewinne im Repräsentantenhaus beschert. Und während der Pandemie sind grosse Teile der US-Bevölkerung noch stärker sensibilisiert für die Bedeutung des Krankenversicherungsschutzes.
Schon im November muss sich das Oberste Gericht mit einer Klage republikanischer Justizminister befassen, die Obamacare für ungültig erklären will. Millionen von Menschen in den USA würden ihren Versicherungsschutz verlieren, wenn sich die konservative Mehrheit im Gericht der Sichtweise der Kläger anschliesst.
Mit Richterin Barrett kann Präsident Trump seiner Wählerbasis kurz vor den Wahlen also nochmals ein Geschenk machen. Weil die obersten Richterinnen und Richter auf Lebenszeit gewählt werden, dürfte der Supreme Court noch auf Jahre hinaus als konservatives Bollwerk die gesellschaftlichen Verhältnisse prägen. Selbst wenn der Präsident und seine Partei die nächsten Wahlen verlieren sollten.