Kriegserfahrungen können gravierende Folgen für die Erwerbsbiografien von Betroffenen haben und treten oft erst am Ende eines Arbeitslebens zutage. Das zeigt eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Untersucht wurde das Leben von Personen in Westdeutschland, die zwischen 1919 und 1921 geboren wurden, aus dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsversehrte, Kriegsgefangene oder Vertriebene zurückkehrten und in den 1980er-Jahren am Ende ihres Erwerbslebens standen.
Rasch wieder an der Arbeit
Bei den Soldaten seien viele Auswirkungen des Kriegs tatsächlich erst sehr spät, am Ende der Erwerbsbiografie, sichtbar, erklärt Studienautor Sebastian Braun, Professor für Internationale Wirtschaft und Wirtschaftsgeschichte: Selbst Kriegsversehrte integrierten sich sehr schnell in den Arbeitsmarkt. Doch ab Alter 50 träten gesundheitliche Schädigungen in den Vordergrund – etwa die Spätfolgen von Schussverletzungen, Amputationen oder Erfrierungen.
Die Studie sprach die Menschen auch auf psychische Beschwerden an. Doch in der 1980er-Jahren gab kaum jemand zu, unter Depressionen zu leiden. Dies habe wohl sehr stark mit den Tabus der damaligen Zeit zu tun, so Braun.
Vertrieben zwischen Schule und Berufsbildung
Eine grosse Rolle spielt laut Braun, zu welchem Zeitpunkt im Leben die Kriegserfahrung gemacht wurde. So waren die Folgen der Vertreibung für junge Menschen in der Übergangsphase zwischen Schule und Berufsbildung besonders schlimm. Dies ergab sich aus den Daten der Volkszählung, welche die Beobachtung der einzelnen Altersgruppen ermöglichte.
Die Folgen der Vertreibung für junge Menschen zwischen Schule und Beruf sind besonders schlimm.
In der Altersgruppe mit Jahrgang 1920 waren laut Braun alle Menschen sehr stark vom Krieg betroffen. 40 Prozent der Soldaten starben in Krieg. Von den Rückkehrern war fast ein Drittel verletzt. 75 Prozent der Heimkehrenden waren in Kriegsgefangenschaft. 95 Prozent der Männer kämpften insgesamt im Krieg.
Es lassen sich Lehren für den Ukraine-Krieg ziehen, etwa über zu erwartende Nachteile von Veteranen im Berufsleben.
Bei Rückschlüssen von historischen Ereignissen auf die heutige Situation sei zwar Vorsicht geboten, stellt Braun fest. «Doch wir sind zum Schluss gekommen, dass die Studie auch für heutige Konflikte relevant ist und viele ähnliche Mechanismen spielen.»
Erkenntnisse für den Ukraine-Krieg
Als Beispiele nennt Braun die im jungen Leben beeinträchtigte Gesundheit mit langfristigen Spätfolgen. Aber auch den Verlust von Lebenszeit und -einkommen durch die Jahre in Kriegsgefangenschaft. Oft fehle dadurch auch die Zeit, einen beruflichen Status zu erreichen. Ehemalige Kriegsgefangene gingen teilweise auch später in Rente, um verlorenes Einkommen auszugleichen.
«Bei den Vertriebenen zeigte die Studie, dass es viele Menschen überhaupt nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurückgeschafft haben», so Braun. Entsprechend wichtig sei, dass der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt oder ins Bildungssystem je nach Alter schnellstmöglich beginne. Richtig sei damit auch in Deutschland, den Ukraine-Flüchtlingen den Arbeitsmarktzugang direkt zu gewähren.
Die Studie zeige ebenso, dass bei Kriegsveteranen langfristige Massnahmen nötig seien und diese wegen der Spätfolgen bis ins hohe Alter begleitet werden müssten. Sei es über Entschädigungszahlungen, Renten, Heilbehandlungen oder Kuren.