Mit Öl und Gas wurde Norwegen reich. Doch nahezu explodiert sind die Gewinne mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine.
Durch den Wegfall Russlands als Lieferant sind Nachfrage und Preis in ungeahnte Höhen gestiegen. Norwegen liefert – und hilft mit seinen Rohstoffexporten anderen europäischen Ländern, von Russlands Öl und Gas wegzukommen.
Derweil setzt Norwegen im Inland auf nachhaltige Energien. Mit den Milliarden an Zusatzeinnahmen haftet dem Land nun jedoch das Image des «Kriegsgewinnlers» an.
Friedensnation im Clinch
Dabei versteht sich Norwegen als Friedensnation. Das Land vermittelt in vielen Konflikten, und in Oslo wird jährlich der Friedensnobelpreis verliehen. Doch das Selbstbild ist getrübt.
Mit dem Geld sollten wir jenen helfen, die die Konsequenzen der Katastrophen tragen.
«Das Problem ist, dass die zusätzlichen Gewinne aus der Katastrophe anderer Menschen entstehen», sagt Karl Ove Moene.
Der Wirtschaftswissenschafter gehört zu den pointiertesten Kritikern der Gewinne aus Öl und Gas, die Norwegen aufgrund des Ukraine-Krieges gemacht hat.
«Das gibt uns eine moralische Verpflichtung, sie für gute Zwecke einzusetzen», so Moene. Der Ökonom fordert die Einrichtung eines Fonds. «Mit dem Geld sollten wir jenen helfen, die die Konsequenzen der Katastrophen tragen.» Das seien etwa Länder in Afrika, die direkt oder indirekt unter den gestiegenen Gaspreisen litten. Und vor allem natürlich die Ukraine.
Doch viele in Norwegen finden, der Ukraine helfe man bereits genug. Tatsächlich ist Norwegen eines der Länder, die die Ukraine am meisten unterstützen – sei es mit Rüstungsgütern, humanitärer Hilfe oder der Aufnahme einer hohen Zahl von Geflüchteten.
«Grünes» Öl und Gas?
Noch grundsätzlicher als die moralische ist die ökologische Kritik an der Förderung von Öl und Gas. Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace fordern seit Jahren eine Abkehr von den fossilen Rohstoffen. Sie kämpfen auch gegen die Vorstellung vieler Norwegerinnen und Norweger, wonach «ihr» Öl nachhaltiger sei als anderes.
Immer wieder kommt es zu Aktionen gegen die Öl- und Gasförderung
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Bild 1 von 3. Mitglieder von Greenpeace am 25. April 2022 in Asgardstrand an einer Protestaktion gegen ein Schiff, das russisches Öl transportiert. Bildquelle: Keystone/Ole Berg-Rusten/NTB via AP.
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Bild 2 von 3. Demonstranten am 28. Oktober 2022 vor dem norwegischen Parlament, in Oslo. Bildquelle: REUTERS/Victoria Klesty.
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Bild 3 von 3. Aktivisten von Extinction Rebellion am 18. August 2025 an einer Protestaktion vor der Ölraffinerie von Equinor in Mongstad. Bildquelle: Keystone/EPA/Paul S. Amundsen.
«Tatsächlich sind viele Bohrplattformen elektrifiziert und es steckt viel Hightech drin», erklärt Tale Hammerø Ellingvåg von Greenpeace Norwegen.
Doch die weitaus meisten Emissionen, 98 Prozent, entstünden nicht in der Produktion, sondern beim Verbrennen – im Ausland. «Da ist unser Öl so dreckig wie jedes andere», sagt sie. «Grünes Öl ist ein Mythos.»
Ausstieg ist keine ernsthafte Option
In Stavanger sieht man die Dinge naturgemäss anders. Die Stadt im Südwesten Norwegens ist traditionell die «Ölhauptstadt» des Landes. Von hier aus steuern die grossen Öl- und Gasfirmen ihre Bohrplattformen weit draussen in der Nordsee.
Die Rohstoffe stehen hier für Arbeitsplätze und Wohlstand – dahinter steht auch Stadtpräsident Tormod Losnedal. Er räumt ein, dass Öl und Gas für das Klima «ein Problem» seien, doch man bemühe sich sehr um eine nachhaltige Produktion.
Die Expertise der hoch qualifizierten Fachkräfte wolle man dereinst auch für andere, grünere Technologien einsetzen. Doch für ihn ist klar: Die Rohstoffe brauche es auch weiterhin – für ganz Europa.
Auch in der norwegischen Politik ist ein Ausstieg nicht mehrheitsfähig – dagegen sind alle drei grossen Parteien, von rechtsbürgerlich bis sozialdemokratisch. Lediglich kleinere Parteien des Mitte-Links-Lagers wollen weg von Öl und Gas.