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Österreich «Es wird sehr unangenehm für Kanzler Kurz»

Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bundeskanzler Sebastian Kurz. Ihm wird vorgeworfen, einem Vertrauten einen Posten zugeschanzt zu haben. Der Chefredaktor der linksliberalen Wochenzeitung «Der Falter» sagt, was das für Kurz für Folgen haben könnte.

Florian Klenk

Chefredaktor

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Florian Klenk, Jahrgang 1973, ist ein österreichischer Jurist, Journalist und Buchautor. Seit Mitte 2012 ist er Chefredaktor der linksliberalen Wiener Wochenzeitung «Falter».

SRF News: Sie sagen, für Sie habe der Fall um Kanzler Kurz das Potenzial, zur Staatskrise zu werden. Warum?

Florian Klenk: Weil der Bundeskanzler in ein Strafverfahren verwickelt ist. Die Sachlage, die die Staatsanwaltschaft auf 58 Seiten ausbreitet, ist so dicht, dass es wahrscheinlich zu einer Anklage kommen wird. Bis es aber soweit ist, wird wohl noch ein Jahr vergehen, denn es werden dutzende Zeugen vernommen werden müssen. Und Kurz hat schon angedeutet, dass er die Justiz attackieren wird, dass er nicht geständig sein wird, dass er sich als unschuldig betrachtet und dass er nicht zurücktreten wird. Das wird die Koalition belasten, gerade in Covid-Zeiten.

Er käme nicht in Haft und er bekäme auch keine Fussfessel, sondern er würde eine symbolische Bestrafung erhalten. Er ist ja unbescholten.

Es geht um ein Delikt, das mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Was droht Kanzler Kurz auf juristischer Ebene?

Wenn es zu einer Anklage kommt – und einige Strafrechtsexperten sind der Meinung, dieser Fall müsse in den Gerichtssaal – kommt er vor einen Einzelrichter. Bei einer Strafandrohung von drei Jahren würde ihm wohl als Bundeskanzler eine bedingte Freiheitsstrafe von ein paar Monaten drohen, vielleicht noch eine Geldstrafe. Er käme nicht in Haft und er bekäme auch keine Fussfessel, sondern er würde eine symbolische Bestrafung erhalten. Er ist ja unbescholten. Wenn er freigesprochen wird, käme er als Held aus dem Gerichtssaal und könnte bei den nächsten Wahlen wieder einen Punkt für sich verbuchen.

Kurz sagt, dieser Untersuchungsausschuss sei nur dazu da, um ihn aus dem Amt zu befördern. Ist da etwas dran?

Nein. Dieser Ausschuss ist nach dem sogenannten Ibiza-Video eingerichtet worden, um aufzuklären, ob die österreichische Bundesregierung unter seinem ersten Kabinett bestochen wurde, ob sie angefüttert wurde von der Glücksspielindustrie und ob es intransparente Parteispenden am Rechnungshof vorbei gab.

Der Untersuchungsausschuss fördert praktisch jeden Monat etwas zutage.

Das wollte dieser Untersuchungsausschuss untersuchen und er ist dabei unglaublich erfolgreich. Er fördert praktisch jeden Monat etwas zutage. Das passt der ÖVP nicht, weil viele ihrer Leute beschuldigt sind. Daher versucht sie, dieses Kontrollgremium permanent zu diskreditieren, zu schwächen, abzuschiessen, zu sagen, das sei alles ungerecht, unfair, ein politisches Tribunal. Das ist aber gar nicht wahr. Selbst der Koalitionspartner, die Grünen, sitzen in dem Ausschuss. Die Abgeordneten stellen sehr präzise Fragen, sind sehr gut vorbereitet und machen hier eine wirklich gute Kontrolle bei der Regierung.

Wird es jetzt eng für den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz?

Es wird sehr unangenehm für ihn. Es ist das erste Mal, dass er wirklich taumelt. Er hat am Mittwoch in einem Fernsehinterview das erste Mal angeschlagen gewirkt, nicht mehr so routiniert, nicht mehr wie dieser Kommunikator, der er war. Man hat gemerkt, es geht ihm nahe. Und er kommt natürlich in die Zwickmühle, weil er nach den eigenen Kriterien natürlich im Falle einer Anklage zurücktreten müsste, aber keine Lust dazu hat. Da ist er zu Macht-affin und zu geschickt, um das in Aussicht zu stellen. Aber er ist angeschlagen, schwer angeschlagen.

Das Gespräch führte Sandro della Torre.

SRF 4 News, 14.05.2021; 06:20 Uhr ; 

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