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Offshore-Windparks Japan will grüner und digitaler werden

Seit einem Monat waltet Yoshihide Suga als neuer Premier – und es weht ein neuer Wind. Er macht dort vorwärts, wo sein Vorgänger Shinzo Abe eher nachlässig war. Japan werde nun vermutlich mit Offshore-Windparks an erneuerbare Energien gelangen, sagt der freie Journalist Martin Fritz in Tokio.

Martin Fritz

Freier Journalist

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Der Journalist Martin Fritz arbeitete als Radio-Korrespondent für die ARD in Tokio. Als freier Journalist berichtet er nun neben Japan auch über Nord- und Südkorea. Vorher war er fünf Jahre lang Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi.

SRF News: Premier Yoshihide Suga will Japan grundlegend verändern. Woher kommt die Motivation?

Martin Fritz: Suga steht unter grossem Zeitdruck. Er ist erst vor sechs Wochen zum Vorsitzenden der Regierungspartei LDP gewählt worden. Das Amt wird nur für ein Jahr vergeben. Vor allem aber findet spätestens im Oktober 2021 die Parlamentswahl statt. Ihm bleiben also zwölf Monate, um den Wählern und seiner Partei zu zeigen, warum er an der Spitze bleiben soll.

Bis 2050 soll Japan CO2-neutral werden. Was hat es mit dieser Kehrtwende auf sich?

Japan war ein Nachzügler in der Klimapolitik. Die bisherigen Klimaziele widersprachen dem Pariser Klimaschutzabkommen, das Japan aber unterschrieben hat. Das wurde bei Klimakonferenzen auch immer wieder angeprangert, was Japan bisher nicht störte. Aber dann vor ein paar Wochen versprach China, bis 2060 klimaneutral zu werden. Und bei einem Wahlsieg von Joe Biden werden auch die USA eine Klimawende einleiten. China und die USA sind die zwei grössten Emittenten von Kohlendioxid.

Japan kann bei den Klimazielen nicht länger zurückstehen.
Suga.
Legende: Japan will die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Null reduzieren. Das kündigte der neue Regierungschef Yoshihide Suga am Montag in seiner ersten Parlamentsrede als Ministerpräsident an. Keystone

Wie will Suga die Kehrtwende schaffen?

Dazu sagte er Anfang Woche in seiner Regierungserklärung wenig. Es gab nur Andeutungen. Er nannte zum Beispiel Solarzellen mit einem höheren Wirkungsgrad oder die chemische Verwendung von Kohlendioxid, das man bei Verbrennungsprozessen auffangen will. Das wäre aber alles Zukunftsmusik. Den Bau neuer Atomkraftwerke hat der zuständige Minister gestern bereits ausgeschlossen.

Als einzigen Weg muss man also die erneuerbaren Energien drastisch hochfahren. Bisher kommen daraus nur 18 Prozent des Stroms, Wasser mitgerechnet. Als favorisierte Lösung gilt der Bau von Offshore-Windparks. Davon hat Japan noch keinen einzigen – trotz sehr viel Wind an den Küsten.

Die Stempelpflicht für alle Dokumente hat für viele das Homeoffice verhindert.

Japan soll auch digitaler werden. Was heisst das?

In der Verwaltung ist Japan sehr rückständig. Der Hauptgrund ist die traditionelle Verwendung von Stempeln für Dokumente. Alle Vorgänge in der Verwaltung und auch in Unternehmen werden auf Papier bearbeitet, weil die beteiligten Personen ihren Namensstempel darauf drücken müssen. Das hat für viele Japaner während des Corona-Notstands im Frühjahr die Arbeit im Homeoffice verhindert. Der Ersatz der Stempel durch eine digitale Unterschrift wäre für Japan eine umwälzende Neuerung und würde die Digitalisierung weit vorantreiben.

Hanko.
Legende: Hanko: Die Firmen- und Namensstempel haben in Japan Rechtskraft wie eine Unterschrift. Keystone

Haben Sugas Pläne eine Chance?

Japan wird wohl bei der grünen Energie wie auch der Digitalisierung ziemliche Fortschritte machen. Vielleicht sogar unabhängig von Suga. Alle haben jetzt eingesehen, dass etwas getan werden muss. Wenn so etwas in Japan geschieht, geht alles sehr schnell. Das IT-Unternehmen Fujitsu etwa will die Büroflächen um die Hälfte verkleinern und die Beschäftigten überwiegend zu Hause arbeiten lassen. Hitachi als grösser Mischkonzern will bis 2022 die Stempel abschaffen und jährlich 500 Millionen Blatt Papier einsparen. Das sind knapp 60'000 Bäume im Jahr. Japan bewegt sich.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 28.10.2020, 06:40 Uhr ; 

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