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Der Corona-Hoffnungsträger von Berlin
Aus Echo der Zeit vom 03.12.2020. Bild: Keystone
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Organisator der Impfoffensive Der Corona-Hoffnungsträger von Berlin

Deutschland bereitet sich auf die Impfung von Millionen Menschen vor. Eine Mammutaufgabe – gerade in der Hauptstadt.

Der Mann im roten Pullover in der behelfsmässigen Kantine hat echt die Ruhe weg. Und eigentlich ist er ja auch Rentner. Aber jetzt ist Albrecht Brömme, 67, ohne Übertreibung einer der Hoffnungsträger der Berliner. 900'000 Impfdosen wird die Stadt in einer ersten Tranche erhalten. Pro Person gibt es zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen.

Drei Monate sind dafür veranschlagt. Und das in einer Stadt, in der man sich – fast hätte ich gesagt in Friedenszeiten – nicht einmal innerhalb von 14 Tagen an- oder ummelden kann, wenn man eine neue Wohnung bezieht. So dysfunktional ist Berlin.

450'000 Menschen in drei Monaten

Aber man soll sich vom roten Rentnerpullover nicht täuschen lassen. Broemme war Chef der Berliner Feuerwehr, Präsident des Technischen Hilfswerks THW und hat zum Beispiel in der jordanischen Wüste an der syrischen Grenze ein Flüchtlingslager mit aufgebaut. «Zaatari war anfangs nur Wüste und ist innerhalb von sieben Monaten zu einer Grossstadt mit 140'000 Flüchtlingen geworden.»

Also, sagte sich Broemme, da kann ich auch einige Berliner impfen. Und das macht er nun. 450'000 Menschen in drei Monaten. Broemme rechnet vor: «Wir müssen die Impfzentren so organisieren, dass man möglichst jede zwei Minuten eine Impfung hinkriegt. An so vielen Stellen, dass wir jeden Tag 20'000 Impfungen machen können.»

Eins wär auch für mich der Garaus: Man holt sich eine wunderbare Impfung gegen Corona ab – nimmt sich Corona aber gleich mit.
Autor: Albrecht Brömme

Sechs Impfstellen seien die optimale Zahl, hat Broemme ausgerechnet, darunter ein Velodrom in Pankow und eine Eishalle im Wedding. Macht pro Impfstelle 3500 Personen täglich, von 9 bis 19 Uhr. Vorbild ist – lustigerweise – Ikea. Denn der Weg durch das Ikea-Labyrinth ist bekanntlich glasklar vorgegeben. «Man muss sich keine Gedanken machen, wie man gehen muss. Man wird einfach geführt und ohne dreimal zu fragen, wo man hin muss.»

Albrecht in Impfzentrum in Berlin
Legende: Riesiger Medienandrang, riesige Impfzentren: Albrecht Broemme steht derzeit im Rampenlicht – und vor einer gewaltigen logistischen Herausforderung. Keystone

Und es kommt auf das kleinste Detail an. «Bei Hinweis-Zeichen muss man wissen, dass zehn Prozent der älteren Männer farbenblind sind. Man muss also auch mit Buchstaben arbeiten.» Sonst geht es schnell schief und zwar richtig. Bei so vielen Menschen. Alle sollen sich schön aus dem Weg gehen, denn: «Eins wär auch für mich der Garaus: Man holt sich eine wunderbare Impfung gegen Corona ab – nimmt sich Corona aber gleich mit.»

Impfen im Akkord

Also: eine effiziente Lüftung, am Eingang Fiebermessen, dann Check der Vorladung, ein kurzes Gespräch mit dem Arzt, der Ärztin, «und dann geht man in eine der etwa 75 Impfkabinen, die jedes Zentrum hat.» Mantel aufhängen, hinsetzen, Oberarm freimachen, impfen. Und das alles in vier Minuten.

Danach folgt eine halbe Stunde Ruhe, um zu überprüfen, ob die Impfung gut vertragen wird. Bis zum Stockhalter für die Älteren hat Broemme vorgedacht. Das alles braucht Betreuung. Die Kassenärztliche Vereinigung rekrutiert unter den 11'000 Ärzten in Berlin Freiwillige, die halbtags zum Einsatz kommen.

Generalstabsmässige Planung

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Daneben braucht es weitere Hilfskräfte, insgesamt etwa 200 pro Impfzentrum: «Die Lufthansa und Easyjet haben sich gemeldet», sagt Broemme. Das Rote Kreuz prüfe derzeit, ob Leute auf Kurzarbeit Aufgaben übernehmen können. «Solche Leute sind gewohnt: Teamarbeit, Gehorsam und Ordnung. Das sind Eigenschaften, die wir bei allen Mitarbeitern brauchen.»

Digitale Abläufe seien natürlich unerlässlich. «Mit Abschreiben von Adressen aus dem Ausweis auf irgendwelche Listen...dann reden wir nicht mehr von 200, sondern von 800 Leuten pro Impfzentrum, wenn wir das alles manuell machen müssten.»

Die Kühlung des Impfstoffs geschieht zentral an einem geheimen Ort in Berlin, von dort werden die Tagesdosen an die Impfzentren geliefert. Drei Monate nach Beginn sollen die ersten 450'000 Menschen in Berlin geimpft sein, dann sollen die Hausärzte übernehmen. So der Plan.

Broemme strahlt Ruhe und Zuversicht aus, ohne falsche Hoffnungen zu wecken. Und er hat auch Humor. Für 2020 habe er ganz andere Pläne gehabt: Sonne und Ouzo in seinem Haus in Griechenland. «Meine Gartenarbeit ist nicht so vorausgekommen, wie ich dachte. Der Keller ist immer noch nicht ganz aufgeräumt. Na und? Da ist noch ein langes Leben vor mir. Meine Mutter ist 100. Dann mach ich das nächstes Jahr», sagt der 67-jährige Optimist, aber nicht blinde Optimist.

Denn nach seinem schönen Schlusssatz schiebt Broemme noch eine Bemerkung nach. «Aber das Jahr ist eigentlich zum Abhaken. Es ist schrecklich.»

Echo der Zeit vom 03.12.2020, 18 Uhr

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