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Pandemie in Südostasien Thailands überfüllte Gefängnisse sind Corona-Hotspots

Menschenrechtsorganisationen warnten schon vor der Pandemie vor überfüllten Gefängnissen. Nun sind sie Corona-Hotspots.

84 Tage lang war Nattanon Chaimahabutr im Gefängnis in Bangkok eingesperrt, weil er an Protesten gegen die Regierung teilgenommen hatte. «Das Gefängnis ist eine Art Sklavensystem. Die Wärter liebten es, uns Gefangenen Befehle zu erteilen», so der 20-jährige Thailänder. Sie hätten die Wärter massieren, ihren Papierkram und andere Arbeiten erledigen und putzen müssen.

Das Gefängnis ist eine Art Sklavensystem.
Autor: Nattanon Chaimahabutr Demokratie-Aktivist, Thailand

Zirka 30 Meter lang und schlauchähnlich sei die Zelle gewesen, die er sich mit 30 bis 40 Gefangenen geteilt hatte. Die Männer schliefen dicht nebeneinander auf dem Boden und teilten sich zwei Toiletten. Schutzmassnahmen wegen Corona habe es nicht gegeben, sagt der Demokratie-Aktivist.

Das Tragen von Masken sei zwar Pflicht gewesen, eingehalten hätten das nicht alle. «Sie haben uns alle zusammengesperrt: Wenn sich jemand ansteckte, dann wurden alle mit dem Virus infiziert.»

Mehr als 1000 neue Ansteckungen pro Tag

Über 1000 Neuinfektionen pro Tag verzeichneten die thailändischen Gefängnisse in den vergangenen Wochen. Wer positiv auf Corona getestet wird, wird ins Gefängnisspital verlegt. Die Zahl der Corona-Toten in den Gefängnissen ist unbekannt.

Die Lage in den Haftanstalten sei komplett ausser Kontrolle, kritisiert Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: «Statt Vorkehrungen zu treffen, verboten die Behörden Angehörigen, Gefangene zu besuchen. Als das Virus durch das Gefängnispersonal eingeschleppt wurde, verbreitete es sich wie ein Lauffeuer.»

Doch nicht nur in Thailand gehören die Gefängnisse zu den schlimmsten Corona-Hotspots. Ähnlich sieht es auch in den Philippinen, in Kambodscha und anderen südostasiatischen Ländern aus, wo die Gefängnisse ebenfalls überlastet sind.

In Thailand begannen inzwischen zwar zaghafte Impfkampagnen in einigen Gefängnissen. Doch wie in den meisten anderen südostasiatischen Ländern fehlt es auch in Thailand an genügend Impfdosen.

Alle Gefangenen müssen sofort geimpft werden.
Autor: Phil Robertson Human Rights Watch

Für Phil Robertson von Human Rights Watch gibt es jedoch nur eine Lösung, um die Krise in den Gefängnissen zu beenden: Alle Gefangenen sollten sofort geimpft werden. «Zudem müssen Gefangene, die in Untersuchungshaft sitzen, oder solche, die am Ende ihrer Haftstrafe oder politische Gefangene sind, vorzeitig entlassen werden.»

Regierung prüft frühzeitige Entlassungen

Die thailändische Regierung will nun prüfen, ob sie Gefangene frühzeitig entlassen will, um die Haftanstalten zu entlasten. Das birgt jedoch neue Risiken: So waren die Hälfte der 24 Demokratie-Aktivisten, die unlängst auf Kaution freigelassen wurden, Covid-positiv. Da dies zu spät erkannt wurde, steckten einige ihre Verwandten und Freunde ausserhalb der Gefängnismauern an.

Auch der Demokratie-Aktivist Nattanon Chaimahabutr wurde am 18. Mai auf Kaution freigelassen. «Am selben Tag bekam ich Fieber. Dann wurde ich positiv auf Corona getestet», sagt er.

Nach fast drei Monaten Haft wurde er wieder eingesperrt: diesmal für zwei Wochen in Spital-Quarantäne. Obwohl er die widrigen Umstände im Gefängnis nun kenne, werde er bald wieder auf die Strasse gehen, um für Demokratie zu kämpfen, sagt er.

SRF 4 News, Rendez-vous, 08.06.2021, 12:30 Uhr

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