Von echten Wahlen kann nicht die Rede sein, wenn die Menschen in Iran am Freitag an die Urne gehen. Die Kandidierenden wurden schon vorab vom Regime so handverlesen, dass sich an der Kontrolle der Hardliner nichts ändern wird. Das gilt für die Parlamentswahlen und noch mehr für den sogenannten Expertenrat, der ebenfalls neu bestellt wird.
Das Regime in Teheran hätte mehr moderate Kandidierende zulassen und nach den Protestwellen der letzten Jahre das System breiter abstützen können. Doch das Gegenteil ist geschehen: Noch nie war die Auswahl so eng wie an diesem Wahltag. «Was klar zeigt, dass die iranische Führung den Wahlen keine Bedeutung mehr beimisst, um das System zu legitimieren», konstatiert Sanam Vakil vom britischen Auslandsforschungsinstitut «Chatham House».
Und selbst innerhalb des Führungsapparats seien kritische Stimmen inzwischen unerwünscht. Die Macht konzentriere sich auf einen immer engeren Kreis von Getreuen um Revolutionsführer Chamenei.
Vertrauen in die Institutionen verloren
Sanam Vakil sieht zwei Beweggründe für die Entwicklung. Die iranische Führung hat erkannt, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung ohnehin verloren hat. Ihre «Islamische Republik» steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Es fehlt den Hardlinern aber die Kraft und der Wille, das System zu reformieren. Also bauen sie nur noch auf ihre Gefolgsleute und den Repressionsapparat.
Der zweite Grund, warum sich die Führungselite einbunkert: Diese Wahlen kommen in einer kritischen Zeit. Ali Chamenei, der Revolutionsführer, wird im April 85 Jahre alt. Es geht darum, seine Nachfolge vorzubereiten und den Fortbestand der «Islamischen Republik» sicherzustellen, so wie ihn sich die Hardliner vorstellen. Damit verbunden sind die Vorteile, welche die Machtelite geniesst.
Expertenrat kümmert sich um Chameneis Nachfolge
«Alles, was für die Führung in dieser Übergangszeit zählt, ist der innere Zusammenhalt», sagt Vakil in London. Hier kommt das zweite Gremium ins Spiel, das am Freitag neu bestellt wird, der sogenannte Expertenrat. Diesem obliegt es, nach dem Tod des Revolutionsführers einen Nachfolger zu ernennen. Es ist zwar anzunehmen, dass die Nachfolge hinter den Kulissen schon vorgespurt wird. Offiziell aber wird der Expertenrat den Nachfolger absegnen. Und, so wollen es die Gepflogenheiten, dieser Nachfolger sollte selbst dem Expertenrat angehören. Dass Würdenträger wie der moderate ehemalige Staatspräsident Rohani von der Liste der Kandidierenden für den Expertenrat gestrichen wurden, zeige klar, wie kompromisslos die Hardliner den Spielraum nun verengten, sagt die Iranexpertin Sanam Vakil.
Revolutionsführer Chamenei hat zwar die Bevölkerung dazu aufgerufen, zur Urne zu gehen, denn die Probleme im Land könnten nur durch Wahlen gelöst werden. Er sprach gar von einer «religiösen Pflicht.» Der Appell des alternden Autokraten muss dennoch vielen wie Hohn vorkommen. Denn die Realität zeigt, wie wenig die Stimmung im Land den Machtapparat um Chamenei kümmert.
Schon bei den letzten Wahlen war die Beteiligung sehr tief. Viele erwarten, dass sie angesichts der Umstände diesmal auf ein neues Rekordtief fällt.