Mit fast 98 Prozent der Stimmen an der Parteispitze bestätigt, steigt Marine Le Pen offiziell ins Rennen um das französische Präsidentenamt. Doch die herben Niederlagen der Partei an den vergangenen Gemeinde- wie Regionalwahlen lassen die Basis zunehmend an den Erfolgschancen der Rechtspopulistin zweifeln.
Kritik an Parteipräsidentin wird lauter
«Non, Chou-Chou, du sagst nichts! Sonst kriegen wir Ärger!» Der mit Hütchen und Fähnchen ausgestattete Parteigänger des Rassemblement National zieht seine Frau energisch von unserem Mikrofon weg. Eine Szene, die aufs Trefflichste die omnipräsente Autorität von Marine Le Pen und ihrer Entourage widerspiegelt.
Kritik ist in den Reihen des Rassemblement National verpönt – und wird dennoch immer lauter. Der Schmusekurs, den die 52-jährige Parteichefin eingeschlagen hat, um mehr bürgerliche Stimmen zu gewinnen, vergraule radikalere Anhänger und führe ins Verderben.
Dieser Meinung ist längst nicht nur der in die Verbannung geschickte Gründer der rechtsextremen Vorläufer-Partei Front National, Jean-Marie Le Pen. Er unterstellt seiner Tochter boshaft einen Mangel an Virilität, an Männlichkeit. Deren nicht minder giftige Antwort kam am RN-Parteitag in Perpignan postwendend: Man hätte sich nun endlich von einer politischen Unreife befreit, die wenig kompatibel sei mit nationalen Ambitionen. «Wir kehren nicht zur Front National zurück», meinte Marine Le Pen.
Unzufriedene Wählerbasis
Dabei kommt Marine Le Pen ganz nach ihrem Vater, wenn es darum geht, die Partei mit eiserner Hand zu führen, interne Kritiker mundtot zu machen. Und das könnte sich rächen. Zwar sind die Chancen durchaus intakt, dass es Marine Le Pen im Rennen um den Einzug in den Élysée-Palast wieder in die Stichwahl schafft.
Um aber tatsächlich gewählt zu werden, müsste sie über ihre Wählerbasis hinaus mobilisieren. Und die ist, anders als die ungebrochene Verehrung der Claqueure am Parteitag, eben längst nicht mehr so solide wie auch schon.
Wahlkampf hat oberste Priorität
Doch Marine Le Pen gibt sich zuversichtlich. Um sich ganz auf ihren Wahlkampf zu konzentrieren, gibt sie ab September die Führung der Partei vorübergehend ab. Nicht an Louis Aliot, ihren Ex-Lebenspartner und Bürgermeister von Perpignan, der sich auch darum beworben hatte.
Sondern an Jordan Bardella, den mit ihrer Nichte Nolwenn liierten Shootingstar der Partei. Die Rassemblement National ist und bleibt eine Familienangelegenheit.