- Der britische Premierminister Boris Johnson hat ein Misstrauensvotum in seiner konservativen Fraktion überstanden.
- Johnson kann somit im Amt bleiben.
- Der 57-Jährige hat zwar noch die Mehrheit der Fraktion hinter sich, doch die Fronten innerhalb der eigenen Partei scheinen so verhärtet, dass ihm das Regieren zunehmend schwerfallen dürfte.
Das Ergebnis war knapper als erwartet. Nur 211 seiner Fraktionskollegen sprachen dem Premier in London ihr Vertrauen aus. 148 Tory-Abgeordnete votierten für eine Abwahl Johnsons als Parteichef und damit auch als Premierminister. Er gilt damit als schwer beschädigt.
Ein Misstrauensvotum wird nach den Regeln der britischen Konservativen abgehalten, wenn 15 Prozent der Fraktion dem Premier das Misstrauen ausspricht. Diese Schwelle war am Sonntag mit entsprechenden Mitteilungen von mindestens 54 der 359 Tory-Abgeordneten erreicht worden, wie der Vorsitzende des zuständigen Parteiausschusses, Graham Brady, Montagfrüh mitgeteilt hatte. Die Abstimmung wurde noch am Abend abgehalten.
Geldstrafe wegen Teilnahme an Feiern während des Lockdowns
Johnson ist auch in den eigenen Reihen wegen etlicher Lockdown-Partys in seinem Amtssitz in der Downing Street während der Pandemie stark in die Kritik geraten. Wegen seiner Teilnahme an einer der Feiern war gegen Johnson eine Geldstrafe verhängt worden. Damit ist er der erste amtierende britische Premierminister, der gegen das Gesetz verstossen hat.
Ein Untersuchungsbericht wirft ihm und anderen Verantwortlichen Führungsversagen und schwere Verfehlungen bei der Einhaltung von Corona-Regeln vor. Im Unterhaus in London entschuldigte sich der 57-Jährige mehrmals . Einen Rücktritt lehnt er jedoch ab.
Rebellion von vielen Seiten
Es war aber nicht nur die laxe Haltung gegenüber den eigenen Regeln, die Johnsons Gegner in der eigenen Partei auf die Barrikaden gebracht hat. Der Tory-Abgeordnete und langjährige Johnson-Weggefährte Jesse Norman warf dem Premier unter anderem vor, die Einheit des Landes zu gefährden. Den Konfrontationskurs mit Brüssel in der Nordirland-Frage bezeichnete er als «wirtschaftlich sehr schädlich, politisch töricht und beinahe sicher illegal».
Ebenfalls zu denken geben sollte Johnson, dass die Rebellion nicht nur von einem Flügel der Partei zu kommen schien. Beispielsweise finden sich unter seinen Kritikern sowohl beinharte Brexit-Anhänger wie der Abgeordnete Steve Baker und Ex-Brexit-Minister David Davis als auch Remainer wie Tobias Ellwood, der kürzlich eine Rückkehr in den EU-Binnenmarkt forderte.
Nächste Krise droht schon bald
Seit Monaten hatten immer wieder Parteikollegen Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Der Versuch, ihn aus dem Amt zu jagen, ist nun vorerst gescheitert. Nach den aktuellen Parteiregeln darf für die Dauer von zwölf Monaten kein weiteres Misstrauensvotum gegen Johnson angestrengt werden.
Doch die Hoffnung, dass die Kritik an ihm jetzt verstummen wird, dürfte ebenfalls vergeblich sein. Johnson hat zwar noch die Mehrheit der Fraktion hinter sich, doch die Fronten innerhalb der eigenen Partei scheinen so verhärtet, dass ihm das Regieren zunehmend schwerfallen dürfte.
Die nächste Krise für Johnson droht, wenn am 23. Juni in zwei englischen Wahlkreisen Nachwahlen stattfinden. In mindestens einem davon müssen sich die Tories auf eine schwere Niederlage einstellen.