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Peking will vermitteln Ein Frieden in der Ukraine scheint sehr weit weg

Es sei ein «langes und ziemlich vernünftiges Gespräch» gewesen, sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski nach dem Telefonat mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping am Mittwoch. Nun bestehe die Möglichkeit, den «chinesisch-ukrainischen Beziehungen neue Impulse zu verleihen».

Begeisterung tönt anders.

Auch andere Reaktionen aus Kiew waren eher verhalten. Die ukrainische Regierung hat zwar seit Monaten versucht, mit dem starken Mann in Peking ins Gespräch zu kommen. Dass Xi nun endlich, zum ersten Mal seit Kriegsausbruch vor 14 Monaten, zum Telefonhörer griff, ist ein gutes Zeichen.

China ist nicht neutral

Aber die Ukrainer haben auch viele Gründe, die Rolle Pekings kritisch zu sehen. Denn China ist längst nicht so neutral, wie sich das Land gerne selbst darstellt. Erst vor einem Monat reiste Xi nach Moskau zu seinem «geschätzten Freund» Wladimir Putin.

Der chinesische Staatschef ist der wichtigste internationale Verbündete des russischen Machthabers, der wegen seines Angriffs auf die Ukraine international isoliert ist. Peking treibt fleissig Handel mit Russland, gibt dem Kreml politisch Rückendeckung und auch militärisch arbeiten die beiden Länder zusammen.

Diese chinesisch-russische Freundschaft ist nicht gerade förderlich für die Glaubwürdigkeit Chinas als Vermittler. Bisher jedenfalls hat Peking keinen Friedensplan formuliert, der auch nur annähernd akzeptabel wäre für die Ukraine.

Moskau und Kiew hoffen auf Kriegserfolge

Kommt hinzu: Auf dem Schlachtfeld stehen die Zeichen derzeit auf Sturm. Russland hat nun monatelang versucht, mit heftigen Angriffen die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Tausende, wenn nicht zehntausende Soldaten sind dabei gefallen – auf beiden Seiten.

Derweil haben die Ukrainer aufgerüstet für einen Gegenschlag. Im Hinterland wurden frische Einheiten zusammengezogen, ukrainische Soldaten durchliefen in grosser Zahl Ausbildungsprogramme in Nato-Staaten.

Hinzu kommen grössere Mengen neuer Waffen: westliche Panzer, Luftabwehr, Präzisionsmunition. Aus ukrainischer Sicht ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um mit Russland über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Die Ukrainer wollen angreifen und soviel Territorium wie möglich von den Besatzern befreien.

Die Lage präsentiert sich also so: Mit China tritt ein Staat als Vermittler auf, dessen Neutralität höchst zweifelhaft ist. Und die Kriegsparteien sind beide weiterhin der Überzeugung, dass sie mit Waffengewalt ihre Ziele besser erreichen als am Verhandlungstisch.

Unter diesen Voraussetzungen scheint ein Frieden weit weg. Sehr weit weg.

David Nauer

Ukraine- und Russland-Korrespondent

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David Nauer ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.

Hier finden Sie weitere Artikel von David Nauer und Informationen zu seiner Person.

Rendez-vous, 27.4.2023, 12:30 Uhr

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