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Polen hat gewählt Die Menschen in Polen leben in zwei verschiedenen Welten

Ein Augenschein in Warschau zeigt: Das Land ist gespalten – mit den Konservativen neuerdings in der Defensive.

Man würde ja gerne schreiben, die Sonne sei heute Morgen über einer veränderten polnischen Hauptstadt aufgegangen. Aber erstens scheint sie nicht – wie so oft im Warschauer Oktober. Und zweitens gebärden sich hier nur die Tauben aufgeregt.

Die Frau, die am Rand der backsteinernen Markthalle Pilze verkauft, verjagt die Vögel. Über die Parlamentswahlen vom Sonntag will sie nicht reden. Sie muss ständig schauen, dass die Polizei sie nicht erwischt, denn ihren Klapptisch hat sie illegal aufgestellt.

Hohe Wahlbeteiligung

Das sind die Markthallen Hala Mirowska: Arme Leute kommen hierher und verkaufen, was sie im Wald gefunden haben. In ganz Polen zählen die Wahlhelfer immer noch Stimmen. Es sind so viele Menschen wählen gegangen wie noch nie, seitdem das Land demokratisch ist.

PiS ohne Regierungsmehrheit

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Bei der Parlamentswahl in Polen bleibt die bisherige Regierungspartei PiS zwar stärkste Partei, verpasst die absolute Mehrheit aber deutlich – das sagen die als recht zuverlässige geltenden Nachwahlbefragungen (Exit Polls).

Weil die PiS auch mit der ultrarechten KON nicht auf eine Mehrheit kommt, stehen die Chancen gut, dass Polen künftig von einer liberalen Koalition regiert wird. Dazu müssen sich die KO von Ex-Premier Donald Tusk, der christlich-konservative Dritte Weg und das Linksbündnis allerdings auf eine gemeinsame Regierung einigen.

Der Gemüsehändler Michal zählt stattdessen Geld. Auch er musste am Sonntag in der Schlange warten, bevor er wählen konnte. Und er denkt, es wäre eine Tragödie, sollten ab jetzt wirklich die liberalen bis linken Regierungsgegner das Land regieren und die konservative Regierung Geschichte sein.

Markthalle von aussen.
Legende: Vor und in den Markthallen Hala Mirowska kaufen alle ein – konservative wie liberale Polinnen und Polen. srf/sarah nowotny

Nach acht Jahren konservativer Regierung erscheint das Michal allerdings so unwahrscheinlich wie Sonnenschein im Warschauer Oktober. «Die Regierungsgegner bringen doch keine Koalition zustande», ist er sich sicher.

PiS-Propaganda ist angekommen

Und wenn doch, dann teilten sie sich die Ukraine zusammen mit Russlands Putin auf und dann liessen sie so viele Ausländer rein, dass es hier bald aussehe wie in Frankreich. Genau das hatte die polnische PiS-Regierung während des Wahlkampfs behauptet.

Ich will hier keine schwarzen Gesichter sehen, die arbeiten nicht.
Autor: Janina Verkäuferin an einem Blumenstand

Ältere Frauen mit pinken Wollmützen gehen vorbei, und auch ein Mann, der aussieht, als käme er aus Indien. Am Stand mit den Blumen arbeitet Janina. Sie sagt es noch deutlicher als Michal: «Ich will hier keine schwarzen Gesichter sehen, die arbeiten nicht.»

Gemüsestand vor den Hala Mirowska
Legende: Ein Gemüsestand vor den Hala Mirowska. srf/Sarah Nowotny

Janina hat ebenfalls die Konservativen der bisherigen Regierung gewählt. Denn die Liberalen hätten ihr nie Geld gegeben, als sie an der Macht gewesen seien.

Glückliches Gesicht am Bio-Stand

Auch drinnen in der Markthalle gibt es viel Pflanzliches zu kaufen, aber hier steht Bio drauf, es ist schick verpackt und kostet ein Vielfaches. Auch das ist Warschau, auch das sind die Hala Mirowska.

Hinter der Kasse im Bioladen steht Agata. Die junge Frau ist die Einzige, die heute Morgen nicht müde aussieht. Sie sieht sogar glücklich aus.

Hier gibt es Leute, die anders denken?
Autor: Agata Verkäuferin am Verkaufsstand für Biogemüse

«Ich freue mich natürlich sehr, dass die Regierungsgegner an die Macht kommen könnten», sagt sie. Sie hoffe bloss, dass es dabei bleibe, wenn alle Stimmen ausgezählt sind. Und Agata hofft noch viel mehr, dass alles besser wird. Zum Beispiel, dass junge Frauen wie sie in Zukunft in Polen abtreiben dürfen.

Agata kennt niemanden, der die konservative Regierung noch gut findet. Auf den Hinweis, die Gemüse- und Blumenverkäufer nur ein paar hundert Meter entfernt hätten die Konservativen gewählt, kann sie das kaum glauben: «Hier gibt es Leute, die anders denken?»

Die Menschen in Polen – sie leben in zwei verschiedenen Welten.

Rendez-vous, 16.10.2023, 12:30 Uhr

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