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Politisierung der Justiz Machtkampf in Polen: Wie macht man Gerichte wieder unabhängig?

Vorgeschichte: Als neuer Justizminister ist Adam Bodnar verantwortlich dafür, die polnischen Gerichte wieder unabhängiger zu machen. «Wichtige polnische Gerichte sind ineffizient und von der Politik unterjocht», sagte er gegenüber SRF vor vier Jahren, damals noch als Ombudsmann für Menschenrechte. Das sehen auch der Europäische Gerichtshofs oder die EU-Kommission so. Die behält deshalb über 30 Milliarden Euro zurück, die für Polen bestimmt sind.

Das hat der Justizminister vor: Unter anderem hat Bodnar ein Gesetz angekündigt, das jenes Gremium reformieren soll, das in Polen Richter und Richterinnen wählt, den Landesjustizrat. «Dieser Rat ist in der Verfassung als Garant der richterlichen Unabhängigkeit vorgesehen», sagt Richterin Dorota Zabludowska von der Richtervereinigung «Iustitia». «Aber vor fünf Jahren hat die Regierungspartei PiS den Rat der Politik untergeordnet». PiS-Verbündete stellen heute die überwältigende Mehrheit im Landesjustizrat.

Donald Tusk
Legende: Während acht Jahren hat die ehemalige nationalkonservative PiS-Regierung wichtige Schaltstellen im Staat mit eigenen Leuten besetzt. Dies zu ändern, dürfte für die neue Mitte-links-Regierung von Donald Tusk (Bild) zur grossen Herausforderung werden. Keystone / SERGEY DOLZHENKO

Das Ausmass der Politisierung der Justiz: Die polnischen Gerichte sind gespickt mit PiS-nahen Richterinnen und Richtern. Es habe teils atemberaubenden Karrieren gegeben, sagt der Verfassungsrechtler Jakub Jaraczewski: «Wir haben Richter und Richterinnen gesehen, die in ein paar Jahren von den niedrigsten in die höchsten Ämter aufgestiegen sind – Karrieren, die normalerweise Jahrzehnte dauern.» Schnell aufsteigen konnte nur, wer ideologisch auf Linie der PiS ist.

Rund zweieinhalbtausend Richterinnen und Richter ernannte der Landesjustizrat in seiner umstrittenen Zusammensetzung in den letzten Jahren. Sie alle sind im Verdacht, abhängig zu sein von der früheren Regierungspartei.

Wie können die unabhängigen von den abhängigen Richterinnen und Richter getrennt werden? «Polen braucht einen Mechanismus, um zu überprüfen, ob die umstrittenen Richterinnen und Richter überhaupt alle Voraussetzungen für ihr Amt erfüllen», sagt Verfassungsrechtler Jaraczewski. Richterin Zabludowska geht das zu wenig weit. Sie fordert, dass sämtliche in den letzten Jahren besetzten Richterstellen neu ausgeschrieben werden, damit sich auch die bewerben können, die das früher nicht gemacht haben, weil sie wussten, dass sie aus ideologischen Gründen keine Chancen gehabt hätten.

Wieso es neue Gesetze schwer haben werden: Um den Landesjustizrat zu reformieren oder um Richterstellen flächendeckend neu auszuschreiben, braucht es neue Gesetze. Die neue Tusk-Regierung würde so ein Gesetz fast sicher durchs Parlament bringen. Aber Staatspräsident Andrzej Duda würde es praktisch ebenso sicher mit seinem Veto blockieren.

Veto des Präsidenten steht im Raum

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Andrzej Duda war früher Mitglied der nationalkonservativen PiS und politisiert nach wie vor weitgehend auf Parteilinie. Wegen seines Vetos glaubt Verfassungsrechtler Jaraczewski, die Reform der Gerichte müsse warten bis nach den Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr.

Richterin Zabludowska dagegen fordert, das Parlament dürfe sich vom Veto des Präsidenten nicht bremsen lassen. «Gesetze vorzubereiten ist die Verantwortung des Parlaments. Und wenn der Präsident sein Veto dagegen einlegt, wird er dereinst dafür verantwortlich gemacht.»

Die Rolle der EU: Richterin Zabludowska und Verfassungsrechtler Jaraczewski mahnen beide zu grosser Sorgfalt bei der Reform der Gerichte. Entscheidend sei, dass die Gerichte wirklich unabhängig werden – und nicht eine neue politische Abhängigkeit die alte ersetzt. Da sei auch die Europäische Union gefordert, findet Richterin Zabludowska: «Keinesfalls sollte die EU Gelder für Polen freigeben, bevor die neue Regierung die Unabhängigkeit der Justiz wieder hergestellt hat.»

Duda begnadigt erneut verurteilte PiS-Politiker

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In Polen geht der Streit zwischen dem Präsidenten und der neugewählten Regierung in die nächste Runde. Staatsoberhaupt Andrzej Duda begnadigte zwei Mitglieder der früheren Regierung und entsprach damit den Forderungen der abgewählten, nationalistischen PiS-Partei, der Duda auch nahesteht.

Die begnadigten Politiker, Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein Ex-Stellvertreter Maciej Wasik, kamen unmittelbar nach Dudas Entscheid auf freien Fuss. Sie waren im Januar inhaftiert worden, nachdem sie wegen Machtmissbrauchs in ihren früheren Funktionen verurteilt worden waren. Beide hatten dann erklärt, «politische Gefangene» zu sein, und waren in einen Hungerstreik getreten. Gegen ihre Inhaftierung hatten Zehntausenden PiS-Anhänger protestiert.

Duda hatte die beiden bereits nach ihrer ersten Verurteilung im Jahr 2015 begnadigt, der Oberste Gerichtshof hatte das aber für ungültig erklärt.

Echo der Zeit, 17.01.2024, 18:00 Uhr

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