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David Bonior - Leitfigur der Progressiven unter den US-Demokraten
Aus Echo der Zeit vom 19.08.2020. Bild: Keystone
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Präsidentenwahl in den USA Demokrat David Bonior: «2016 darf sich nicht wiederholen»

Diese Woche fanden die Parteitage der Demokraten in den USA statt – coronabedingt bloss virtuell. Vier Tage lang hatten die Demokraten Zeit, auch dem linken, progressiven Flügel der Partei Joe Biden und Kamala Harris beliebt zu machen. David Bonior war in den 90er-Jahren einer der führenden Demokraten im Kongress. Er glaubt, Joe Biden habe bessere Chancen bei den Arbeitern in seinem Heimatstaat Michigan als Hillary Clinton vor vier Jahren.

David Bonior

David Bonior

demokratischer Politiker in den USA

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David Bonior ist eine Leitfigur der Progressiven. Der gewerkschaftsnahe Politiker vertrat zwischen 1977 und 2003 den Bundesstaat Michigan im US-Repräsentantenhaus.

SRF News: An den Parteitagen der Demokraten herrschte fast ein wenig Alarmstimmung. «Der Preis für eine Niederlage wäre unvorstellbar», meinte Bernie Sanders. «Wir müssen abstimmen, als ob es um unser Leben ginge», sagte Michelle Obama. Steht wirklich soviel auf dem Spiel?

David Bonior: Das Gefühl der Dringlichkeit ist in der Tat sehr hoch. Wir erleben nun seit fast vier Jahren, wie Donald Trump regiert. Er ist seiner Aufgabe nicht gewachsen, er ist eine Gefahr für die internationale Politik. Er hat den Tod von zehntausenden Covid-19-Patienten zu verantworten. Er ist arrogant, diktatorisch, und er bricht mit den demokratischen Staatsprinzipien. Ja, es ist eine wichtige Wahl, und wir müssen sichergehen, dass alle an die Urne gehen.

Arbeiter mit Helm
Legende: Die Demokraten wollen nicht nochmal dieselben Fehler machen wie 2016, als viele Arbeiter im sogenannten Rust Belt der USA für Trump stimmten. Der Grund: Sie mochten Clinton nicht. Reuters

Ist Joe Biden der richtige Kandidat, um den Mittleren Westen, der 2016 an Trump ging, zurückzugewinnen? Die Demokraten dort unterstützten ja ursprünglich nicht ihn, sondern die Kandidatin Elizabeth Warren.

Seine Kandidatur ist nicht unattraktiv. Ich hätte es gerne progressiver gemocht, aber bei den Vorwahlen wurde anders entschieden. Biden hat Erfahrung, und Kamala Harris als Vizekandidatin zu holen, finde ich eine gute Entscheidung. Umgibt er sich mit den richtigen Leuten, dann wird er eine erfolgreiche Regierung bilden. Biden ist ein anständiger Mensch, er zeigt Mitgefühl und setzt sich damit klar von Präsident Trump ab.

Biden hat sich nach der letzten Finanzkrise für die Rettung der Autoindustrie eingesetzt. Daran erinnern sich die Arbeiter.

Für linke Demokraten war das Wahljahr 2016 ein Schock. Über 40 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft wählte damals Trump. Was hatte sie dazu bewogen und wie kann die Partei sie zurückholen?

Es war leider so, dass die Arbeiter unsere damalige Kandidatin Hillary Clinton nicht mochten. Zu lange ist sie schlecht gemacht worden, sie erzeugte einfach Unbehagen. Mein Gefühl ist: Wir haben eine viel besser Chance mit Joe Biden in Macomb County (ein Bezirk in der Nähe von Detroit, Michigan, Anm. d. Red.) als mit ihr. Er hat sich nach der letzten Finanzkrise für die Rettung der Autoindustrie eingesetzt. Daran erinnern sich die Arbeiter hier.

Die Handelspolitik ist besser, als was wir Demokraten zustande gebracht haben, ehrlicherweise.

Die Industrie rund um Detroit hat stark unter Freihandelsverträgen wie Nafta gelitten. Sie war schon immer ein Gegner solcher Abkommen. Biden vertritt eher traditionelle wirtschaftsliberale Positionen. Vertrauen Sie trotzdem darauf, dass er die Interessen der US-Arbeiterschaft schützt?

Ich hoffe, dass er mit den richtigen progressiven Beratern um sich herum einen guten Handelsbeauftragten ernennen wird. Es stimmt, ich mag Bidens Handelspolitik nicht besonders. Trump hat eine sehr gute Wahl getroffen mit Robert Lightizer. Die Handelspolitik ist besser, als was wir Demokraten zustande gebracht haben, ehrlicherweise. So müssen wir anhaltend Druck auf Biden ausüben, damit er die Bedürfnisse der Arbeiterschaft ernst nimmt.

David Bonior
Legende: Man müsse Wahlkampf immer betreiben, als ob man kurz davor sei, zu verlieren, sagt Bonior. Reuters/Archiv

Vor kurzem waren Vorwahlen in Michigan. In Ihrem ehemaligen Bezirk Macomb County gewann eine Trump-Kandidatin. Ein schlechtes Omen?

Dieses Gebiet war ein sehr konservativer Teil meines früheren Wahlkreises und deshalb kein Barometer für uns Demokraten. Wichtiger sind Gegenden, in denen potenzielle demokratische Wählerinnen und Wähler wohnen.

Wegen der Pandemie können wir leider nicht von Tür zu Tür gehen.

Umfragen zeigen, dass Trump dort an Beliebtheit verloren hat. In dieser Wahl geht es vor allem um eines: um Trump. Und wir müssen die Wähler überzeugen, dass es sich diesmal lohnt, an die Urne zu gehen. Wir arbeiten hart daran, auch wenn wir wegen der Pandemie leider nicht von Tür zu Tür gehen können.

Biden führt im Moment in Umfragen, landesweit, aber auch in wichtigen Swing-Staaten wie Michigan, Florida und Pennsylvania. Einige Demokraten erhoffen sich sogar einen Erdrutschsieg. Ist das realistisch?

Es ist gefährlich, so zu denken. Man muss Wahlkampf immer so betreiben, als ob man drauf und dran ist, zu verlieren. Sonst wiederholen sich die Ereignisse des Jahres 2016. Damals dachten wir auch, wir hätten den Sieg auf sicher, und es endete in einer Katastrophe. Kommt die Siegeswelle, dann ist das wunderbar. Aber ich wette nicht darauf. Es wird ein enges Rennen werden.

Das Gespräch führte Isabelle Jacobi.

Echo der Zeit, 19. August 2020, 18 Uhr;

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