Zum Inhalt springen

Präsidentschaftswahl Algerien Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune bleibt Präsident

  • Tebboune erhielt fast 95 Prozent der Stimmen, wie die nationale Wahlbehörde mitteilte.
  • Bei der Präsidentschaftswahl in Algerien haben am Samstag weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
  • Kandidat Abdelaali Hassani Scherif berichtete von Unregelmässigkeiten bei der Wahl.

Laut vorläufigem Ergebnis bleibt Abdelmadjid Tebboune weitere fünf Jahre an der Spitze. Tebboune habe 94.6 Prozent der Stimmen erhalten, sagte der Vorsitzende von Algeriens Wahlbehörde, Mohamed Charfi.

Nach Verkündung des vorläufigen Ergebnisses wird dieses nun von Algeriens Verfassungsgericht geprüft, das sich unter anderem mit möglichen Berufungsverfahren befasst. Erst dann wird das offizielle Endergebnis verkündet. Dieser Prozess kann bis zu drei Wochen dauern.

Wahlbeteiligung umstritten

Die Wahlbeteiligung habe um 20 Uhr Ortszeit «durchschnittlich 48.03 Prozent» betragen. Dies teilte der Präsident der Wahlbehörde Anie, Mohamed Charfi, mit. Wegen einer niedrigen Wahlbeteiligung hatten die Wahllokale am Samstag um 21 Uhr Ortszeit und damit eine Stunde später als geplant geschlossen.

Maghreb-Expertin erklärt die tiefe Wahlbeteiligung

Box aufklappen Box zuklappen

Dass nicht mehr Algerierinnen und Algerier an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen haben, sei eine Kombination aus Desinteresse und Desilllusionierung, sagt Isabelle Werenfels von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. «Die wenigsten Algerier glauben, dass es durch Wahlen Veränderungen geben wird.» Es sei bezeichnend gewesen, wie in den letzten Tagen Videos aus Fussballstadien kursierten, in denen junge Leute skandierten, dass sie nicht wählen gehen würden.

Für Abdelmadjid Tebboune sei die tiefe Wahlbeteiligung eine grosse persönliche Niederlage, erklärt die Maghreb-Expertin. Das Desinteresse und die Ablehnung gelten jedoch dem System und nicht ihm. «Die meisten Algerierinnen glauben überhaupt nicht, dass er die Geschicke des Landes wirklich leitet.»

Es seien verschiedene Netzwerke aus Militärs, Politik, Verwaltung und Wirtschaft, die letztlich regierten. «Es gab schon vorher Anzeichen, dass nicht alle Militärs, also nicht alle diese Machtnetzwerke, hinter ihm standen.» Man habe ihm zum Beispiel vorgeworfen, dass er es nicht geschafft habe, Algerien in die Brics hineinzubringen. «Das war ein grosser Misserfolg für ihn.»

Um die tatsächliche Wahlbeteiligung gibt es aber Diskussionen. Die zwei Oppositionskandidaten und auch der gewählte Tebboune stellen die Zahlen infrage. Während die Wahlbehörde zunächst eine Beteiligung von knapp 50 Prozent verkündete, hiess es später 5,6 Millionen Menschen hätten gewählt. Dies entspräche einer Wahlbeteiligung von unter 25 Prozent

Tebboune hoffte auf hohe Wahlbeteiligung

Zu dem Urnengang waren 24 Millionen Bürgerinnen und Bürger aufgerufen. Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune trat als klarer Favorit an. Experten zufolge hatte der 78-Jährige auf eine hohe Wahlbeteiligung gehofft, nachdem sie bei seiner Wahl 2019 auf einem Rekordtief gelegen hatte: 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger hatten damals nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Der Sieg hat für Tebboune damit erneut einen bitteren Beigeschmack.

Mann wirft Wahlzettel in eine Wahlurne.
Legende: «Tebboune will ein normaler Präsident sein, kein kaum gewählter Präsident», erklärte der Politologe Hasni Abidi vom Genfer Forschungszentrum Cermam mit Blick auf Tebbounes erneute Präsidentschaftskandidatur. Reuters/Algerian Presidency (07.09.2024)

Tebboune regiert Algerien mit harter Hand. Er trat am Samstag als Unabhängiger an und wird von vier grossen politischen Gruppierungen unterstützt, darunter die ehemalige Einheitspartei FLN und die islamistische Bewegung Al-Bina, die bei der Präsidentschaftswahl 2019 zweitstärkste Kraft geworden war.

Der 78-Jährige wird von vielen im Land – und auch von Menschen­rechts­organisationen – kritisiert, unter anderem wegen seines Vorgehens gegen die Opposition. Amnesty International spricht etwa von einer «brutalen Unterdrückung der Menschenrechte» und einem «Klima der Angst und Zensur».

Verbot von Kundgebungen in Algerien 2019

Die beiden Gegenkandidaten blieben völlig chancenlos und erhielten nur drei beziehungsweise zwei Prozent der abgegebenen Stimmen. Ein Kandidat und Chef der grössten islamistischen Partei MSP ist der 57-jährige Abdelaali Hassani Scherif. Der andere Bewerber ist Youssef Aouchiche, ein 41-jähriger ehemaliger Journalist und Senator. Er ist Vorsitzender der Front der sozialistischen Kräfte (FFS).

Die zwei Kontrahenten von Tebboune

Das Wahlteam des algerischen Präsident­schafts­kandidaten Abdelaali Hassani Scherif erklärte am Sonntag, dass bei den Präsidentschaftswahlen am Samstag Verstösse festgestellt wurden.

In der Erklärung hiess es, zu den Verstössen gehörten die Ausübung von Druck auf einige Wahllokalbeamte, um die Ergebnisse zu verfälschen, das Versäumnis, den Vertretern der Kandidaten die Unterlagen für die Stimmauszählung auszuhändigen, und Fälle von Stimmabgabe durch Stellvertretergruppen.

SRF 4 News, 08.09.2024, 6 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel