«Eine andere Welt ist möglich» – es sind grosse Worte, mit denen Linksaussen-Politiker Jean-Luc Mélenchon derzeit auf Stimmenfang geht für die Präsidentschaftswahl. Wer ändern wolle, was in Frankreich nicht funktioniere, müsse alles verändern – und er habe den konkreten Plan dazu. In einer Wahl, die bereits entschieden scheint, versucht er damit die Wählerinnen und Wähler doch noch an die Urne zu locken.
Strategisches Wählen
Konkret hofft Mélenchon auf den «Vote utile», also auf die «nützliche Stimmabgabe» von Anhängerinnen und Anhängern anderer linker Parteien – nur so könnte er es, als einziger linker Kandidat, in den zweiten Wahlgang schaffen. Denn die linken Parteien – darunter die Sozialisten, Kommunisten und Grüne – haben es in diesem Wahlkampf nicht geschafft, gemeinsame Sache zu machen.
Mélenchon tritt an mit einem ur-linken Programm, will Rentenalter 60 und den Mindestlohn erhöhen. Mit einer Verfassungsreform möchte er weniger Macht für den Präsidenten und mehr direkte Demokratie erreichen.
«Gemeinsam gegen Rechts»
Tatsächlich ist das Momentum derzeit auf seiner Seite. Mélenchon hat in den Umfragen aufgeholt und steht nun auf dem dritten Platz, hinter Amtsinhaber Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen. Jean-Luc Mélenchon kandidiert bereits zum dritten und, wie er sagt, letzten Mal. Völlig unrealistisch ist sein Traum nicht, es in den zweiten Wahlgang zu schaffen: 2017 verfehlte er die Stichwahl um weniger als zwei Prozentpunkte.
Damals hatten viele Linke im zweiten Wahlgang Macron gewählt, um Rechtspopulistin Le Pen zu verhindern. Diesmal soll der «Damm gegen rechts» schon im ersten Wahlgang hochgezogen werden, so Mélenchons Aufruf. Denn aus linker Sicht politisiert Macron heute rechter als noch vor 5 Jahren. Mélenchon versucht denn auch, Macron und Le Pen politisch in dieselbe Schublade zu stecken.
Zu extremes Schwarz-Weiss
Mit diesem politischen Schwarz-Weiss-Denken versucht Mélenchon die Reihen zu schliessen und die Differenzen im eigenen politischen Lager zu überwinden. Ob das gelingt, ist fraglich. Und selbst wenn Mélenchon es in die Stichwahl schaffen sollte, würde es dort, wohl gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron, erst recht schwierig.
Am Ende dürfte sich Jean-Luc Mélenchon vor allem auch selber im Weg stehen: Denn er ist für viele Französinnen und Franzosen zu extrem – politisch und persönlich. Er gilt zwar als begeisternder Redner, aber auch als aufbrausend, verletzend, spaltend. Um neue Wählerinnen und Wähler hinter sich zu scharen, müsste er einen können, aber genau das trauen ihm viele nicht zu.
Anstatt «nützlich» zu stimmen, dürften darum viele ihrer politischen Heimat treu – oder dann der Urne ganz fernbleiben.