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Propagandaschlacht um Corona Die Masken-Diplomatie der autoritären Regimes

«From Russia with Love» steht, in Anlehnung an den James-Bond-Klassiker «Liebesgrüsse aus Moskau», auf den russischen Militärfahrzeugen, die in Rom aus Iljuschin-Maschinen ausgeladen wurden. Nicht nur Italien bekommt medizinische Ausrüstung von Russland; sogar in die USA wurde solche geliefert.

China unterstützt Dutzende von Ländern mit Masken, Diagnosetests und Ärzten: Italien, Griechenland, Spanien und viele Drittweltländer. Die Führung in Peking ist überzeugt, genau zu wissen, wie man die Pandemie bekämpfen muss – anders als der Westen. Sie inszeniert sich als einziger handlungsfähiger Akteur und preist den «chinesischen Weg».

Kuba, dessen Ärzte schon lange eines der wichtigsten Exportgüter sind, schickte 52 Mediziner und Pfleger nach Italien. Leute mit Erfahrung in der Ebola-Bekämpfung in Afrika.

Kritik statt Applaus

Gemeinsam ist diesen Aktionen: Der Applaus fällt spärlich aus. Lautstark ertönt im Westen die Kritik von Politikern und Medien: Peking verbreite ein «Propaganda-Virus», heisst es. Oder: «China hilft Italien nicht. Es führt einen Informationskrieg.» Von «machtpolitischem Kalkül» ist die Rede und von «Imagekampagnen». Und davon, dass diese Hilfe keineswegs immer unentgeltlich geliefert wird – was stimmt.

Die USA rufen Länder auf, die Hilfe dieser autokratischen Staaten zurückzuweisen. Und sie schlagen sich selbst auf die Brust: «Wenn irgendwo in der Welt wirksame Hilfe in der Corona-Krise geliefert wird, über die Uno oder über Hilfsorganisationen, dann sieht man dort die Grosszügigkeit des amerikanischen Volkes», verbreitet das Aussenministerium. Will heissen: Hauptsächlich die USA finanzieren diese Hilfe, China oder Russland sind als Beitragszahler in diesen Organisationen vernachlässigbar.

Auch Hilfe soll hinterfragt werden. Doch die Heftigkeit der Kritik erstaunt. Schliesslich wird anderen Ländern kaum je aus reiner Barmherzigkeit und völlig selbstlos geholfen. Auch Nothilfe ist ein Instrument der sogenannten «Soft Power». Länder, die regelmässig umfangreich und erfolgreich Hilfe leisten, erhöhen ihr weltpolitisches Gewicht. Ihr Ansehen steigt – nicht zuletzt in der eigenen Bevölkerung. Die chinesische, russische oder kubanische Hilfe hat auch und möglicherweise gar vor allem das Heimpublikum im Visier.

Ein Vakuum füllen

Neu ist, dass in der Corona-Krise auch autoritäre Regimes mit ihrer Masken-Diplomatie auf «Soft Power» setzen. Auf etwas, das im Westen seit Jahrzehnten zum Standard-Instrumentarium der Aussenpolitik gehört. Die Mächtigen in China, Russland oder Kuba nützen dabei geschickt aus, dass die USA als Weltführungsmacht in der Corona-Krise ein Totalausfall sind und die EU auf Tauchstation zu gehen scheint. Dieses Vakuum füllen sie nun. Ihnen vorzuwerfen, sie handelten eigennützig, ist absurd: Auch die westliche Katastrophen-, Krisen- und Entwicklungshilfe erfolgt selten frei von Eigeninteressen.

Was Peking, Moskau und Kuba tun, ist legitim. Manche Aspekte ihrer Corona-Hilfe sind fragwürdig. Doch muss man deshalb sämtliche Efforts gleich ganz abwatschen? Vielleicht entzünden sie zumindest den Funken einer oft schmerzlich vermissten internationalen Solidarität.

Und sehr bald erreicht die volle Wucht der Corona-Pandemie die Länder der Dritten Welt, die allein chancenlos sind, ihr Herr zu werden. Spätestens dann wird jegliche Hilfe willkommen sein. Egal, von wem sie kommt. Und egal, ob sie aus barmherzigen, aus egoistischen, aus imagepflegerischen oder propagandistischen Motiven erfolgt.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, 22.3.2020

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