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Prozess gegen Nawalny Kremlkritiker droht lange Haft – über 120 Anhänger festgenommen

  • Ungeachtet internationaler Kritik will die russische Justiz den Kremlgegner Alexej Nawalny für Jahre ins Gefängnis bringen.
  • Ein Gericht in Moskau urteilt heute über den Antrag des Strafvollzugs, die in einem Prozess 2014 verhängte Bewährungs- in eine echte Haftstrafe umwandeln zu lassen.
  • Nawalnys Unterstützer riefen erneut zu Demonstrationen im ganzen Land auf. Vor dem Gerichtsgebäude wurden bereits über 120 seiner Unterstützer festgenommen.

Der russische Strafvollzug fordert vor Gericht für Nawalny eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren und eine Geldstrafe von 500'000 Rubel (5400 Euro).

Alexej Nawalny sitzt derzeit bereits eine 30-tägige Haftstrafe ab. Beim aktuellen Prozess geht es darum, dass ein russisches Gericht ihn vor längerer Zeit wegen Betrugs zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt hat.

Der Vorwurf der Justiz: Als sich der Kremlkritiker in Deutschland von einem Giftanschlag erholte, soll er sich nicht wie vorgeschrieben bei den russischen Behörden gemeldet haben. Der russische Strafvollzug hatte ihn deshalb zur Fahndung ausgeschrieben und liess ihn nach seiner Landung in Moskau am 17. Januar festnehmen.

Nawalny drohen eine Vielzahl weiterer Prozesse und viele Jahre Gefängnis. Die russische Generalstaatsanwaltschaft befürwortet die Umwandlung der Strafe. Anders sehen dies Nawalnys Anhänger: Sie riefen zu Solidaritätskundgebungen am Gerichtsgebäude und zu Protesten im Land auf, um Nawalnys Freilassung zu erwirken. Die Verhandlung am Moskauer Stadtgericht laufen unter einem beispiellosen Polizeiaufgebot ab.

Bereits vor Prozessbeginn Dutzende Festnahmen

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Der Staatsmacht rüstete sich gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Es gab bereits mehr als 120 Festnahmen, wie das unabhängige Portal ovdinfo.org berichtet. Bereits vor dem Prozess hat die Polizei in Moskau Dutzende Menschen festgenommen. Viele würden wahllos aufgegriffen, berichtet eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort.

Das Moskauer Stadtgericht wird von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei Omon bewacht und weiträumig abgesperrt mit Metallgittern, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtet.

Vor dem Gericht gibt es auch Polizei auf Pferden, beim Gericht erschienen ist unter anderem Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja. Zufahrtsstrassen zum Gerichtsgebäude sind ebenfalls gesperrt, es stehen zahlreiche Gefangenentransporter bereit. Viele Experten sehen in dem Prozess einen neuen Versuch, den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin zum Schweigen zu bringen.

Internationale Kritik wird laut

Alexej Nawalny überlebte im August in Sibirien nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der 44-Jährige macht für das Attentat Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Nawalny sieht den Prozess nach seiner Rückkehr nach Russland nun als eine Rache des Kremls dafür, dass er nicht gestorben ist.

Was kann vom Prozess erwartet werden?

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Russland-Korrespondent David Nauer spricht von einem Tag der Entscheidung: «Es geht um die Entscheidung, ob Nawalny für längere Zeit in Haft kommt oder nicht. Sollte er freikommen – was eher unwahrscheinlich ist – würde er seine politische Tätigkeit sofort wieder aufnehmen. Sollte er in Haft kommen, wäre das ein harter Schlag für die Opposition, denn Nawalny ist ihre zentrale Figur.»

Man müsse davon ausgehen, dass das Verfahren nicht fair sein wird, betont Nauer. «Die Stimmung in Russland ist wahnsinnig aufgeheizt. Der Kreml nimmt Nawalny und seine Anhänger quasi als Staatsfeinde wahr. Zahlreiche seiner Unterstützer sind festgenommen worden und auch die staatliche Propaganda-Maschine arbeitet gegen Nawalny.»

Bei der Argumentation der Behörden, dass Nawalny gegen seine Meldepflichten verstossen habe, gebe es allerdings zahlreiche rechtliche Probleme. «Das grösste davon ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die ursprüngliche Verurteilung Nawalnys bereits als grob willkürlich gerügt hat. Nach einem rechtsstaatlichen Verfahren sieht das nicht aus, hier geht es wohl eher darum, einen Kritiker der Regierung zum Schweigen zu bringen», so der SRF-Korrespondent.

Das Vorgehen hatte international Entsetzen ausgelöst. Die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht sagte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das damalige Strafverfahren gegen Nawalny als willkürlich beurteilt. «Statt Nawalny und seine Unterstützer weiterzuverfolgen, zu unterdrücken und zu kriminalisieren, müssen endlich strafrechtliche Ermittlungen beginnen, um das Attentat auf ihn aufzuklären», verlangte sie.

Neue Sanktionen werden diskutiert

Russland lehnt Ermittlungen ab, weil es keine Hinweise auf eine Vergiftung sieht. Mehrere westliche Labors hatten die Nowitschok-Spuren allerdings zweifelsfrei nachgewiesen. Die EU hat deshalb Sanktionen gegen ranghohe russische Funktionäre verhängt. Nawalnys Team hat mit Blick auf die drohende langjährige Inhaftierung die EU und die USA aufgerufen, weitere Sanktionen zu verhängen. Auf EU-Ebene wird dies bereits diskutiert.

An diesem Dienstag wird die schwedische Aussenministerin Ann Linde zu Gesprächen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau erwartet. Sie hat auch den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne. Ende der Woche trifft sich Lawrow in Moskau mit dem EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, der das Vorgehen gegen Nawalny und Andersdenkende mehrfach scharf verurteilt hatte.

SRF 4 News, 02.02.2021, 06:18 Uhr ; 

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