«Freiheit, Freiheit, Freiheit!», ruft die Menge im Moskauer Stadtzentrum. Gegen 1500 Menschen sind an den «Marsch der Mütter» gekommen, die meisten davon Frauen. Ausgelöst hat den Protest ein Strafverfahren gegen eine Gruppe junger Leute. Die Verdächtigen hätten eine gewaltsame Revolution in Russland geplant, sagt die Anklage. Mehrere Personen sind in Untersuchungshaft, die jüngsten darunter zwei Frauen, 18 und 19 Jahre alt. In der kritischen russischen Öffentlichkeit glaubt jedoch niemand an die Schuld dieser angeblichen Aufrührerinnen und Aufrührer.
Wenn ich jetzt diese fremden Kinder nicht verteidige, dann kommen sie vielleicht irgendwann und holen mein Kind.
«Das ist doch ein Schauprozess», sagt eine Demonstrantin, die sich mit Barbara vorstellt. In den letzten Jahren hätten viele Junge an Protestaktionen gegen die Staatsmacht teilgenommen. «Jetzt soll ihnen gezeigt werden: Eure Freiheit ist nicht selbstverständlich, wir können sie Euch jederzeit wegnehmen.»
Falle durch den Staat?
Tatsächlich wirkt der Fall der jugendlichen Revolutionäre inszeniert. Beim wichtigsten Zeugen handelt es sich allem Anschein nach um einen Polizeispitzel. Er soll es gewesen sein, der die Jugendlichen zu ihrer oppositionellen Tätigkeit angestachelt hatte. Mit anderen Worten: Der Staat habe den jungen Menschen eine Falle gestellt, sagen die Demonstrantinnen.
Für viele russische Mütter ist damit eine rote Linie überschritten worden. «Mein Sohn ist so alt wie jene, die jetzt im Gefängnis sitzen», sagt Demonstrantin Julia. Sie spüre, dass sie etwas tun müsse. «Wenn ich jetzt diese fremden Kinder nicht verteidige, dann kommen sie vielleicht irgendwann und holen mein Kind.»
Aus der Mitte der Gesellschaft
Natürlich sind die Personen, die sich gegen die Justizwillkür auflehnen, eine kleine Minderheit in Russland. Der «Marsch der Mütter» ist dennoch ein bemerkenswertes Ereignis, weil der Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft kommt.
Das ist ein Schauprozess.
Die russische Staatsmacht jedenfalls scheint beeindruckt zu sein. Der Staatsanwalt hat am Mittwoch beim zuständigen Gericht eilends beantragt, wenigstens die beiden inhaftierten Teenager aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Sie sollen unter Hausarrest auf ihren Prozess warten.