Zum Inhalt springen

Prozess in Uganda Urteil gegen ugandischen Rebellenführer hinterlässt Beigeschmack

Thomas Kwoyelo, einst Kommandant der berüchtigten «Lord's Resistance Army» (LRA), wurde heute von einem ugandischen Sondergericht in Gulu in 44 Fällen, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schuldig gesprochen. Das Strafmass steht noch aus. Es ist das erste Mal, dass ein LRA-Kommandeur vor einem ugandischen Gericht verurteilt wurde. Zuvor war Dominic Ongwen, ein weiterer LRA-Kommandant, 2021 vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) verurteilt worden.

Die LRA war von 1987 bis 2017 aktiv und strebte an, die ugandische Regierung zu stürzen, um einen Staat basierend auf den Zehn Geboten zu errichten. Heute ist die Miliz weitgehend zersplittert, doch ihr Anführer Joseph Kony bleibt auf der Flucht.

Verzögerte Gerechtigkeit

Obwohl dieser Schuldspruch als historischer Schritt gefeiert wird, bleibt die Frage, ob er tatsächlich umfassende Gerechtigkeit bietet. Seit Kwoyelos Verhaftung sind über 15 Jahre vergangen – eine Verzögerung, die die Wirkung des Prozesses erheblich schmälert. Für viele, besonders die zahlreichen Opfer der LRA, die jahrelang unter den Gräueltaten litten und immer wieder auf Gerechtigkeit warten mussten, stellt dieser Schuldspruch zwar einen wichtigen, aber längst überfälligen Schritt dar.

Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt ist die selektive Anwendung des Amnestiegesetzes von 2000. Dieses Gesetz wurde geschaffen, um ehemaligen Kämpfern Straffreiheit zu gewähren, wenn sie sich freiwillig ergaben und ihre Verbrechen eingestanden. Während hochrangige LRA-Mitglieder von dieser Amnestie profitierten, wurde Kwoyelo diese Möglichkeit verwehrt, obwohl er behauptet, in die LRA gezwungen worden zu sein. Experten vermuten, dass ihm die Amnestie verwehrt wurde, weil er nicht mit der Regierung kooperierte. Diese Ungleichbehandlung schwächt das Vertrauen in die Justiz und lässt den Prozess politisch motiviert erscheinen.

Einseitige Strafverfolgung

Besonders bedenklich ist schliesslich die Tatsache, dass sowohl der Internationale Strafgerichtshof (ICC) als auch die ugandische Justiz bisher ausschliesslich die LRA und ihre Kommandanten ins Visier genommen haben, während die schweren Menschenrechts­verletzungen der ugandischen Regierung und Armee unbeachtet blieben. Der ugandischen Regierung wird vorgeworfen, während des LRA-Konflikts Tausende Zivilisten in Internierungslager gezwungen zu haben, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen litten. Diese einseitige Verfolgung ignoriert staatliche Verbrechen und hinterlässt eine erhebliche Gerechtigkeitslücke, die die Versöhnung in Uganda gefährdet.

Das Urteil gegen Kwoyelo beleuchtet die Grenzen der ugandischen Strafjustiz. Die Konzentration auf LRA-Mitglieder wie Kwoyelo und Ongwen, während staatliche Akteure ungeschoren davonkommen, wirft Fragen zur Einseitigkeit dieses Justizprozesses auf. Eine umfassendere Auseinandersetzung, die auch die Verbrechen der Regierung und Armee einbezieht, ist unerlässlich, um eine echte Versöhnung und dauerhaften Frieden in Uganda zu erreichen.

Sarah Fluck

Afrika-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Sarah Fluck ist seit 2024 Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebt in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Vor ihrem Engagement bei SRF war Fluck als freie Journalistin in Ostafrika tätig. Sie hat Afrikapolitik an der «School of Oriental and African Studies» (SOAS) in London studiert.

Echo der Zeit, 13.08.24, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel