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Putin zieht Parallelen Der Kosovo-Krieg als Präzedenzfall für den Ukraine-Krieg?

Kreml-Chef Wladimir Putin bemüht den Kosovo-Krieg, um sein Vorgehen in der Ukraine zu decken. Südosteuropa-Korrespondent Norbert Mappes-Niediek erklärt, warum der Vergleich hinkt.

Welche Rolle spielte die Einmischung von aussen bei den Kriegen in Jugoslawien? Im Buch «Krieg in Europa. Der überforderte Kontinent» geht es auch um diese Fragen.

Nato-Angriff auf Belgrad, 1999
Legende: Die USA bombardierten mit Nato-Partnern Jugoslawien – erstmals ohne UNO-Mandat. Sie verletzten damals Völkerrecht, um Menschenrechte zu schützen. Keystone/EPA/Sasa Stankovic

Norbert Mappes-Niediek schildert, wie die ersten Panzer in Slowenien einrollten. Er beschreibt den Schock darüber, dass in Europa plötzlich wieder Krieg ausbricht und zeichnet die Geschichte nach bis zum UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Und der Autor fragt nach den Konsequenzen des Eingreifens bis zum aktuellen Ukraine-Krieg.

Norbert Mappes-Niediek

Autor und Südosteuropa-Korrespondent

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Norbert Mappes-Niediek war in den 1990er-Jahren Berater des UN-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien und in den 2000er-Jahren Sprecher des Deutschen Bundestags. Er schrieb für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen. Heute arbeitet er vor allem für öffentlich-rechtliche Medien.

Kürzlich erschienen ist sein Buch «Krieg in Europa. Der überforderte Kontinent.» Es geht ums blutige Auseinanderbrechen Jugoslawiens. Die Schilderung beginnt mit den ersten Panzern in Slowenien und dem Schock darüber, dass im vermeintlich friedlichen Europa plötzlich wieder Krieg ausbricht, bis hin zum UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Geschrieben vor Ausbruch des russischen Angriffs auf die Ukraine, hat das Buch unerwartete Aktualität bekommen.

Als Slowenien und Kroatien sich selbständig machen wollen, stösst die Idee bei den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaft zuerst auf Ablehnung. Die EG-Troika versucht zu vermitteln. Sie bemüht sich darum, Jugoslawien aus Stabilitätsgründen zusammenzuhalten. Ähnliche Signale kommen aus den USA.

Einzig das frisch wiedervereinigte Deutschland ist für die Abspaltung Sloweniens und besonders auch Kroatiens. Die EU konstituiert sich gerade am Gipfel von Maastricht. Damit der Gipfel gelingt, versuchen der deutsche Kanzler Helmut Kohl und der französische Präsident François Mitterand das Thema des zerfallenden Jugoslawiens auszuklammern.

«Das war das Problem», ist Mappes-Niediek überzeugt. «Die beiden haben gesagt, alle sechs jugoslawischen Republiken können die völkerrechtliche Anerkennung bei der EU beantragen.» Dass sich das Angebot der Anerkennung nicht nur an Kroatien und Slowenien richtete, sondern – um des Scheins der Unparteilichkeit willen – an alle, brachte Bosnien in akute Kriegsgefahr, so Mappes-Niediek.

USA sehen neue Rolle für die Nato

Auf den Kroatien-Krieg folgt ein blutiger Krieg in Bosnien und ein Bürgerkrieg zwischen Kosovo-Albanern und Serben. Nach dem Massaker von Racak, einem Dorf südlich von Pristina, ändert die Haltung der USA.

Der Kosovo-Krieg 1998 bis 1999

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Kosovarische Kämpfer 1999 bei Pristina.
Legende: Kosovarische Kämpfer 1999 bei Pristina. Keystone/EPA/Louisa Gouliamaki
  • Der Kosovo-Krieg ist der letzte der vier Jugoslawien-Kriege von 1991 bis 1999.
  • Als Start des Kosovo-Kriegs gilt der 28. Februar 1998: Bei einem Einsatz der serbischen Sicherheitskräfte gegen die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK werden 25 Albaner und vier Serben getötet. In den folgenden Monaten eskalierte die Situation zusehends.
  • Nachdem internationale Vermittlungen gescheitert waren, begannen Nato-Streitkräfte am 24. März 1999 mit Luftanschlägen auf serbische Ziele. Der Einsatz hatte kein UNO-Mandat. Am 10. Juni 1999 lenkte die Führung Jugoslawiens ein und zog sich aus Kosovo zurück.
  • Wie viele Menschen dem Konflikt zum Opfer fielen, ist umstritten. Schätzungen gehen von 12'000 bis 15'000 Toten aus.

Joe Biden, damals Senator, spricht sich für eine Intervention aus. Mappes-Niediek zitiert ihn: «Es geht um viel mehr als um humanitäre Interessen», es gehe um die künftige Rolle der Nato. Die US-Republikaner fürchten ein neues Vietnam. Doch Biden und US-Aussenministerin Madeleine Albright überzeugen sie.

Der menschenrechtliche Aspekt, der in Kosovo vorhanden war, fehlt in der Krim-Frage vollkommen.
Autor: Norbert Mappes-Niediek Südosteuropa-Korrespondent

Die USA und ihre Nato-Partner bombardieren darauf Rest-Jugoslawien und die Hauptstadt Belgrad. Damit, so der Autor, brechen sie Völkerrecht.

«Wir müssen uns im Klaren sein, die USA beendeten damit den Krieg», so Mappes-Niediek. Ob das rechtens war, hat noch kein Gericht beurteilt. Unklar bleibt, ob Völkerrecht oder Menschenrechte höher zu gewichten seien.

Russland und der Präzedenzfall Kosovo?

Der Kosovo-Krieg schuf aber einen Präzedenzfall, so der Autor. Nach 9/11 marschierten die USA wieder ohne UNO-Mandat in Afghanistan ein, auf der Jagd nach Osama bin Laden.

US-Soldaten vor dem Einmarsch in den Irak in Kuwait
Legende: Die USA griffen auch den Irak an, auf der Suche nach vermeintlichen Massenvernichtungswaffen. Keystone/AP/Jean-Marc Bouju

15 Jahre nach Ausbruch des letzten Jugoslawienkriegs verkündet Wladimir Putin, es gelte die russischsprachigen Bürger der Ukraine «vor dem Wüten von Neonazis, Nationalisten und Antisemiten zu schützen».

Mappes-Niediek zitiert Putins Grundsatzrede: Die westlichen Partner hätten mit der Anerkennung Kosovos selbst den «Präzedenzfall» zur Krim-Annexion geschaffen. Aus Sicht des Autors keine gerechtfertigte Parallele.

«Der menschenrechtliche Aspekt, der in Kosovo vorhanden war, fehlt in der Krim-Frage vollkommen.» Trotzdem sei es nicht egal, wenn man das Völkerrecht breche. «Wenn man die Moral vor Recht setzt, werden andere das auch tun» – aus deren Sicht.

Tagesgespräch, 27.02.2023, 13 Uhr

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