Anfang April wurden zwei afroamerikanische Männer in einem Starbucks in Philadelphia verhaftet. Sie hatten nichts getan – sie warteten nur auf einen Bekannten ohne etwas zu bestellen. Damit waren sie für den Geschäftsführer des Cafés auffällig. Er benachrichtigte die Polizei.
Dies ist bloss das jüngste und am stärksten beachtete Beispiel von «Racial Profiling» in den USA, einer Form des Rassismus, die eigentlich schon lange ausgemerzt sein sollte. Doch sie gehört in den Vereinigten Staaten noch immer zum Alltag der Afroamerikaner.
Starbucks am Pranger
Die Verhaftung der beiden Männer wurde für den Kaffekonzern Starbucks rasch zu einem PR-Alptraum. Weitere Gäste des Cafés filmten die Situation und stellten sie online. Die Zentrale des Unternehmens reagierte sofort, entliess den Geschäftsführer der betreffenden Filiale und kündigte an, in allen Starbucks-Läden in den USA ein Sensibilitätstraining durchzuführen.
Für Zachary Norris, Geschäftsführer des «Ella Baker Center for Human Rights» mit Sitz in Oakland, ist das nur ein Beispiel von vielen. Für ihn ist klar, dass Menschen mit nicht-weisser Hautfarbe einen tagtäglichen Kampf in den USA austragen müssen.
So sei etwa entlang der Interstate 95 an der US-Ostküste festgestellt worden, dass 75 Prozent der Autofahrer zu schnell fuhren. Doch 95 Prozent derjenigen, die angehalten wurden, seien Schwarze gewesen. «Das zeigt, in welchem Ausmass Polizisten besonders afroamerikanische Autofahrer stoppten», so Norris. Und das, obwohl praktisch alle Leute zu schnell fuhren.
Verhaftet allein aufgrund der Hautfarbe
Auch für Howard Pinderhughes ist das «Racial Profiling», das illegale Verdächtigen, Kontrollieren und Verhaften allein auf Grund der Hautfarbe oder Herkunft, nichts Neues. Obwohl es gegen bestehende Gesetze verstösst, sagt der Soziologieprofessor und Vorsitzende der sozialwissenschaftlichen Fakultät an der UC San Francisco – selbst ein Afroamerikaner – gehöre es zum Alltag.
Pinderhughes hat schon selber mehrere einschlägige Erlebnisse mit der Polizei gehabt. In San Francisco war er nur wenige Meter von seinem Haus entfernt, den Schlüssel schon in der Hand, als mehrere Polizeiwagen mit Blaulicht von beiden Seiten auf ihn zuschossen. Polizisten mit gezückten Waffen sprangen heraus und forderten ihn lautstark dazu auf, sich mit dem Gesicht auf den Boden zu legen.
«Einer griff mir in die Tasche und nach meinem Portmonee, gab den Namen über Funk durch und gab mir danach meinen Geldbeutel zurück.» Alles, was der Polizist daraufhin gesagt habe, sei gewesen: «O.k., den suchen wir nicht.» Er habe den Polizisten gefragt, wieso er kontrolliert worden sei. «Der Officer meinte, ich hätte auf eine Beschreibung gepasst. Damit fuhren sie weg. Die Frage ist also: Welche Beschreibung haben sie da?»
Alle Teile der USA betroffen
«Racial Profiling» passiert jeden Tag und überall im Land. Selbst in der als liberal und progressiv geltenden San Francisco Bay Area mit ihren Städten, die sich für das Bleiberecht von illegalen Einwanderern einsetzen. Manchmal gibt es sogar Vorfälle mit tödlichen Folgen, wie Norris vom «Ella Baker Center» erklärt. «Wir hatten den Mord an Oscar Grand, und kürzlich den Mord an Stephon Clark in Sacramento.»
Der 22jährige Stephon Clark wurde am 18. März im Garten seiner Grossmutter von acht Polizeikugeln tödlich getroffen, sechs davon in seinen Rücken. Die Beamten waren auf der Suche nach einem Verdächtigen, der in der Nachbarschaft mehrere Scheiben eingschlagen haben soll. Als die Polizeibeamten Clark im Garten entdeckten, rannte dieser weg. Die Polizisten eröffneten gleich das Feuer, denn sie hielten das Telefon in Clarks Hand für eine Pistole.
Die Überlebenschancen erhöhen
Soziologe Pinderhughes: «Es gibt in der afroamerikanischen Community etwas, das zum Alltagswissen gehört. Und das ist, dass man mit seinem Sohn, seinem Neffen, unseren jungen schwarzen Männern irgendwann DAS Gespräch führt, wenn sie etwa acht Jahre alt sind.»
Dieses drehe sich darum, wie man am Leben bleiben könne wenn sich Polizisten nähern und man von ihnen kontrolliert und festgehalten wird. «Man muss also lernen, auf der Strasse zu überleben, wenn man mit der Polizei in Kontakt kommt.» Zwar garantiere dieses Gespräch zwischen Vater und Sohn nichts. «Aber es erhöht die Überlebenschancen.»
Seit Trumps Wahl noch schwieriger
Der Wahlkampf und Sieg von Donald Trump haben erneut tiefe Wunden in den USA aufgerissen. Unter Trump habe sich die Lage in Sachen Rassismus wieder verschlechtert, sagt Pinderhughes. Man könne leicht das Gefühl bekommen, dass nichts voran gehe. «Aber Tatsache ist auch, dass man im Kampf um ethnische und soziale Gleichberechtigung äusserst geduldig bleiben muss.»
Man müsse kontinuierlich darauf drängen und sich nicht mit dem Unrecht abfinden. «Aber man muss auch geduldig bleiben, mit dem Wissen, dass der Bogen der Geschichte lang ist, er sich aber der Gerechtigkeit zuneigt, wie es Martin Luther King sagte.»
Auch 50 Jahre nach der Ermordung von Martin Luther King ist der Rassismus in den USA noch lange nicht überwunden.