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Rassismus im Städtebau der USA Die Stadt Buffalo ringt mit ihrem Stadtbild

Der Autobahnbau vertrieb in den USA mehr als eine Million Menschen aus ihren Häusern. Jetzt will die Regierung einen Teil des Schadens wiedergutmachen.

Schnurgerade zieht sich die I-33 durch Hamlin Park. Sechs Spuren Asphalt, die das einst belebte Quartier mitten in Buffalo (NY) durchtrennen wie ein grosser, tiefer Graben. Stephanie Barber Geter erinnert sich genau an den Tag, an dem die Baumaschinen auffuhren: «Ich war acht Jahre alt. Erst haben sie alle Bäume gefällt, und dann begannen sie zu graben. Oh, wir hassten es. Es war ein schrecklicher Anblick. Ein wahrhaft schrecklicher Anblick.»

Blick auf Autobahn von oben; die mitten durch ein Quartier verläuft
Legende: Die Interstate 33, die mitten durch das Quartier Hamlin Park in Buffalo verläuft. SRF

Heute ist Stephanie Barber Geter Präsidentin des lokalen Aktionskomitees «Restore our Community» (zu Deutsch: «Stellt unsere Gemeinschaft wieder her»). In dieser Funktion trat sie auch auf, als Verkehrsminister Pete Buttigieg aus dem fernen Washington nach Buffalo kam, um zu verkünden, dass die I-33 bald unter einem Dach verschwinden und die Nachbarschaft so wieder zusammenwachsen solle.

Buttigieg nahm bei seinem Auftritt kein Blatt vor den Mund: «Manche dieser Autobahnen wurden mitten durch lebhafte Gemeinschaften gebaut. Manchmal mit der Absicht, die Rassentrennung zu verdeutlichen. Manchmal, weil dies der Weg des geringsten Widerstandes war.»

Aussterbende Nachbarschaften

In Hamlin Park in Buffalo sieht man die Folgen bis heute. Stephanie Barber weist auf den Häuserzug gleich neben der Autobahn: «Auf dieser Seite floss viel Geld ab. Viele Bewohner verliessen ihre Häuser. Wenn du nicht in eine Gemeinschaft investierst, fällt diese auseinander.»

Die Planer der I-33 erhofften sich Ende der 1950er-Jahre, dass die neue Autobahn einen Grossteil des Verkehrs durch das dauerverstopfte Buffalo aufnehmen werde und die Arbeiter schneller in ihre Fabriken und wieder nach Hause gelangen konnten. Dass dabei ein ganzes Quartier auseinandergerissen würde, zogen sie nicht in Betracht. Die kleinen Läden entlang der Strassen verschwanden, und die Nachbarschaft starb langsam, aber sicher aus.

Geld alleine heilt keine Wunden

In den USA sollen nun nach dem Willen der Biden-Regierung 185 Millionen Dollar in Projekte fliessen, die zum Ziel haben, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Allein für die Überdachung der I-33 und angrenzender Projekte in Buffalo stehen 56 Millionen Dollar zur Verfügung. Doch mit Geld alleine lassen sich die verursachten Wunden nicht schliessen. Die I-33 hat deutlich mehr Gräben ins Quartier gerissen als nur ein breites Asphaltband.

«Das alles geschah nicht über Nacht im Dunkeln. Es war kein kriminelles Vorgehen.» Max Anderson ist stellvertretender Direktor von «Open Buffalo», einer Nichtregierungsorganisation, die für mehr soziale Gerechtigkeit kämpft. «Was hier geschah, war offizielle Politik. Es war die Stimmung der 1960er- und 1970er-Jahre: überall Autobahnschneisen durch afroamerikanische Nachbarschaften zu schlagen.»

Es braucht mehr als Betondecken

Anderson ist nicht wütend. Schliesslich begann diese Politik in den 1950er-Jahren, unter Präsident Eisenhower, der als Vater der US-Interstates gilt, des quer durch alle Staaten hindurchreichenden Autobahnnetzes der USA. Aber Anderson will, dass mehr getan wird, als einfach nur ein Dach über die trennende Autobahn zu bauen und zu denken, dass das genügen würde. «Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass alle Stimmen am Tisch sitzen, wenn über so etwas entschieden wird.» Nur so, ist Anderson überzeugt, könnte sichergestellt werden, «dass so etwas nie mehr geschehen kann.»

10vor10, 26.9.2023, 21:50 Uhr

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