Es ist ein letzter Appell an die Vernunft der Parlamentarier, den François Bayrou am Nachmittag lanciert, bevor er die Vertrauensfrage stellt: Wenn Frankreich so produktiv wäre wie seine Nachbarn, hätte das Land kein Defizit- und Schuldenproblem. Deswegen sei die Produktivität eine nationale Priorität.
Vertrauensabstimmung nicht zwingend
Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Dezember ist der Mitte-Politiker der Vertrauensfrage stets ausgewichen, weil er keine Mehrheit im Parlament hat, sondern einer Minderheitsregierung vorsteht.
Jetzt stellte François Bayrou diese Frage aus freiem Willen. Er wollte damit wohl eine «Blockade des Landes» verhindern. Die Sparbemühungen in der Höhe von 44 Milliarden Euro kamen nämlich nicht nur bei den Parteien, sondern auch im Volk schlecht an, besonders das Streichen von zwei gesetzlichen Feiertagen. Nun will ein Teil der Bevölkerung das Land lahmlegen und ruft zu Streiks und Blockaden auf.
Szenen eines Déjà-vus
Und weil keine der Oppositionsparteien hinter dem von Bayrou vorgeschlagenen Budget für 2026 steht, weiss der Premierminister, dass er wohl spätestens nach der Budget-Abstimmung im Herbst sowieso abgesetzt würde. Dem ist er nun zuvorgekommen. Nach der Regierung Barnier scheitert also auch die Regierung Bayrou am Budget.
Erneut ist Emmanuel Macron gefordert: Er muss einen Nachfolger finden, der von einer Mehrheit im Parlament akzeptiert wird. Eine überaus schwierige Aufgabe, in der dreigeteilten Nationalversammlung, in der kein Block eine Mehrheit hat und die Kompromissbereitschaft gelinde gesagt inexistent ist.
Quadratur des Kreises
Der französische Präsident könnte auch Neuwahlen ausrufen oder zurücktreten. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass er versucht, die Sozialisten in die Regierung einzubinden. Damit es arithmetisch reicht, braucht Macron aber weiterhin die Unterstützung der Partei Les Républicains, welche kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit links hat.
Emmanuel Macron ist also erneut in einer ungemütlichen Situation. Eine Situation, an der er nicht unschuldig ist. Wir erinnern uns: Das Parlament ist seit den Neuwahlen im vergangenen Sommer blockiert. Neuwahlen, die Emmanuel Macron von sich aus und ohne Zugzwang einberufen hat. Neuwahlen, deren Resultate der französische Präsident bisher de facto ignoriert hat.