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Regierungsbildung in Israel Opposition bildet neue Regierungs-Koalition ohne Netanjahu

  • In Israel hat der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid ein Bündnis mit insgesamt acht Parteien für eine neue Regierungs-Koalition gebildet.
  • Naftali Bennett, Vorsitzender der ultrarechten Jamina-Partei, soll dabei für zwei Jahre Premierminister werden – abgelöst von Jair Lapid für weitere zwei Jahre.
  • Sollte die neue Koalition im Parlament bestätigt und vereidigt werden, wäre die Ära von Benjamin Netanjahu als Ministerpräsident nach 12 Jahren vorerst beendet.

Das Präsidialamt teilte am Mittwochabend mit, Oppositionsführer Jair Lapid habe Präsident Reuven Rivlin darüber unterrichtet, dass er eine Mehrheit im Parlament hinter sich versammelt habe und eine neue Regierung bilden könne.

Dem 57-Jährigen ist es damit rund eine Stunde vor Ablauf der Frist zur Bildung einer Regierung gelungen, ein Bündnis von sehr gegensätzlichen Partnern zu schmieden. Wäre die Frist abgelaufen, hätten wieder Neuwahlen durchgeführt werden müssen.

Bündnis von acht Parteien

Lapid stützt sich auf ein Bündnis seiner Zukunftspartei mit insgesamt sieben kleinen Parteien aus allen Bereichen des politischen Spektrums. Sie alle eint vor allem die Ablehnung des amtierenden Regierungschefs Benjamin Netanjahu. Die politischen Ziele der Parteien klaffen jedoch weit auseinander.

Israels neues Regierungsbündnis

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Das israelische Parlament hat 120 Sitze. Um ins Parlament einziehen zu können, muss eine Partei mindestens 3.25 Prozent aller Stimmen bekommen. Zur neuen Regierungs-Koalition in Israel gehören folgende acht Parteien:

Yesh Atid: Mitte-Partei des ehemaligen TV-Moderators und Netanjahu-Herausforderers Yair Lapid. Yesh Atid war bei den drei letzten Wahlen Teil des Mitte-Bündnisses «Blau-Weiss». Zur Trennung kam es nach den Wahlen im März 2020, weil Lapid mit Netanjahu koalieren wollte.

Jamina: Rechts, national-konservativ. Die Partei von Naftali Bennett und Ayelet Shaked (designierte Innenministerin).

Blau-Weiss: Bei den letzten drei Wahlen trat Blau-Weiss als Mitte-Bündnis an, bestehend aus drei Parteien. Nach den letzten Wahlen im März 2020 kam es jedoch zur Spaltung, jetzt besteht die Liste nur noch aus der Partei von Verteidigungsminister Benny Gantz.

Meretz: Linke Partei mit Nitzan Horowitz (designierter Gesundheitsminister).

Arbeitspartei: Unter der Führung von Merav Michaeli (designierte Transportministerin).

New Hope: Die Partei wurde vom ehemaligen Likud-Mitglied Gideon Sa’ar (designierter Justizminister) im Dezember 2020 gegründet – wegen Differenzen mit Netanjahu. Sa’ar galt zuvor bereits länger als innerparteilicher Rivale Netanjahus.

Yisrael Beiteinu: Partei der Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Rechtsnationalistisch, aber nicht religiös. Vorsitzender ist der frühere Verteidigungsminister Avigdor Lieberman (designierter Finanzminister).

Ra’am: Auch UAL, United Arab List. Islamische Partei mit Mansur Abbas. Die Partei ist zum ersten Mal in einer israelischen Regierung.

Wichtiger Teil von Lapids Koalition wird die ultrarechte Jamina-Partei von Naftali Bennett. Er galt nach den Wahlen am 23. März als das Zünglein an der Waage. Lapid und Bennett einigten sich auf eine Rotation im Amt des Regierungschefs. Der frühere Verteidigungsminister Bennett soll laut der Koalitionsvereinbarung als erster für zwei Jahre Ministerpräsident werden, Lapid soll ihn dann am 27. August 2023 ablösen. Zu Beginn soll Lapid das Amt des Aussenministers übernehmen.

Verhandlungen bis zur letzten Minute

Bis zur letzten Minute gab es heftige Meinungsverschiedenheiten unter den Koalitionspartnern. Die Verhandlungen dauerten bis kurz vor Ablauf der Einigungsfrist an.

Auch der Vorsitzende der arabischen Ra'am-Partei, Mansur Abbas, hat die Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. Abbas sagte, er habe als Letzter unterschrieben.

Bündnis bleibt wackelig

Mit Vereidigung der neuen Regierung im Parlament wäre die Ära Netanjahu vorerst beendet. Als voraussichtlicher Vereidigungstermin galt bislang der 14. Juni. Lapid strebt jedoch den frühestmöglichen Termin an.

Damit die ungewöhnliche Koalition ihre Regierungsarbeit aufnehmen kann, muss eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten für sie stimmen. Es wird damit gerechnet, dass Netanjahus Anhänger bis zur Vereidigung mit aller Macht versuchen werden, das wacklige Bündnis zum Scheitern zu bringen. Bis zuletzt gab es Berichte über mögliche Abtrünnige in den Reihen der Jamina-Partei.

SRF 4 News, 02.06.2021, 22:00 Uhr ; 

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