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Regierungskrise in Deutschland Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Asylkompromiss

Die Einigung im Asylstreit hat noch einige Tücken. Vor allem: Geht die SPD bei etwas mit, das sie 2015 ablehnte?

Was ist der Inhalt des Kompromisses? An der deutsch-österreichischen Grenze sollen Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise gehindert werden. Sie sollen in Transitzentren kommen, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. «Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschliessen oder das Benehmen herstellen», wie das Kompromisspapier der beiden Parteien im Wortlaut gemäss der Deutschen Presse-Agentur besagt. Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll «die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich» stattfinden.

Um wie viele Fälle geht es überhaupt? Im laufenden Jahr wurden laut Medienberichten bis Mitte Juni 18'349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren. Es geht so gesehen nicht um besonders viele Fälle, aber der CSU ging es auch um ein Zeichen, dass der Staat nach den Turbulenzen 2015, der Merkel zur «Flüchtlingskanzlerin» machte, zeigt, dass er an den Grenzen stärker durchgreift.

Haben sowohl Seehofer als auch Merkel etwas «gewonnen»? Horst Seehofer wollte eine Zurückweisung direkt an der Grenze, auch wenn das Land, in dem der Asylbewerber bereits mit Fingerabdrücken registriert ist, diesen nicht zurücknehmen. Merkel wollte keinen nationalen Alleingang und Lösungen mit den europäischen Partnern. Die Sorge ist, dass sonst alle nach und nach die Grenzen dicht machen und das Prinzip der EU-Freizügigkeit wäre ausgehebelt.

Warum ist auch vom Flughafenverfahren die Rede? Der Begriff erinnert an das Prozedere an Flughäfen. Es wird bei Asylbewerbern, die aus einem als sicher eingestuften Land mit dem Flugzeug nach Deutschland kommen, angewandt. Im Flughafenverfahren ist «das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen», wie es im Asylgesetz heisst. Der Anspruch auf ein reguläres Asylverfahren entsteht erst mit dem Aufenthalt in einem Land. Auf diese Weise ermöglicht das Flughafenverfahren beschleunigte Entscheidungen und Rückweisungen. So ähnlich soll es wohl in den Transitzentren laufen. Das legt allerdings nahe, dass Migranten diese auch nicht verlassen können, sondern dort interniert werden sollen.

Kommen keine illegalen Asylbewerber ins Land? Nein. Erstens geht es nur um die deutsch-österreichische Grenze und dort wird aktuell nur an drei Stellen kontrolliert sowie bei der Schleierfahndung im Hinterland. Es ist schwer vorstellbar, dass Menschen, die schon Kilometer von der Grenze entfernt auf deutscher Seite aufgegriffen werden, in Transitzentren kommen können, denn sie haben ja längst deutschen Boden betreten. Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, sind ausserdem zuvor gar nicht in anderen EU-Ländern registriert worden. Zudem ist laut dem CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet keine Ausweitung der Kontrollen geplant. Auch an Grenzen Deutschlands zu anderen Nachbarländern solle sich nichts ändern.

Welche Rolle spielt Österreich? Es geht nur um Migranten, die an der bayerisch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden. Österreich soll all jene Migranten aufnehmen, die keine Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung aus Deutschland abschliessen wollen. Was Wien davon hält, ist noch unklar. Das Abkommen soll noch ausgehandelt werden.

Wo steckt noch Zündstoff drin? Die Formulierungen sind interessant. «Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind», sollen an der Einreise gehindert werden, heisst es in dem Unionspapier. Das scheint aber weniger weitreichend, als Seehofer stets gefordert hatte. Der CSU-Innenminister wollte all jene zurückschicken, die in anderen EU-Staaten schon mit Fingerabdrücken registriert sind. Die Registrierung allein bedeutet aber nicht automatisch, dass dieses Land für das Asylverfahren auch zuständig ist. Die Dublin-Verordnung sieht eine Zuständigkeitsprüfung vor. Dabei spielen auch andere Kriterien wie der Aufenthaltsort von Familienangehörigen eine grosse Rolle.

Nun ist die SPD am Zuge, wird sie zustimmen? Das ist die grosse Frage. 2015 lehnte die Partei in der damaligen grossen Koalition Transitzentren ab. Der SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach von «Haftzonen», das sei weder organisatorisch durchführbar noch rechtlich darstellbar. Nun geht es aber nicht pauschal um die meisten ankommenden Flüchtlinge, sondern um relativ wenige Fälle ohne Bleibeperspektive. Die SPD will eine Beschleunigung dieser Verfahren, von etwa einer Woche Aufenthalt ist die Rede. Die Parteilinke dürfte den Vorschlag als inhuman ablehnen. Geschlossene Lager sind für viele Genossen ein Tabu. Aber die Alternative könnte ein Koalitionsbruch und eine Neuwahl sein, was disziplinierend wirken könnte. Es könnte der alte Willy-Brandt-Spruch bei der SPD zum Tragen kommen: «Erst das Land, dann die Partei.»

Hat sich der ganze Ärger für die CSU gelohnt? Das wird erst die bayerische Landtagswahl am 14. Oktober zeigen. Seehofer hat wohl weniger herausgeholt, als er ursprünglich plante. Andererseits wäre es ohne den Druck aus Bayern wohl kaum zu der beim EU-Gipfel vereinbarten weiteren Verschärfung der europäischen Asylpolitik mit einem Massnahmenpaket gegen die hohe Zahl an Mittelmeerflüchtlingen gekommen. Das Gleiche gilt für die von Kanzlerin Merkel geplanten bilateralen Abkommen mit anderen europäischen Staaten zur Rücknahme von Migranten.

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