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Rekordhitze und Trockenheit Verheerende Waldbrände wüten in Russlands Norden

Toxische Rauchschwaden bedrohen Dörfer und Städte, während sich riesige Brände unkontrolliert ausweiten.

Extreme Hitze und Trockenheit haben in Russland verheerende Waldbrände ausgelöst. Die Behörden haben für verschiedene Gebiete im Norden des Landes den Notstand verhängt, etwa für die Region Karelien an der Grenze zu Finnland. Betroffen ist auch die flächenmässig grösste Republik des Landes, die sibirische Region Jakutien.

Bis Donnerstag war eine Fläche von fast 700'000 Hektar betroffen – das entspricht in etwa der Fläche des Kantons Graubünden. Dazu kommt eine noch einmal so grosse Fläche, die nicht zugänglich ist und in der keine Löscharbeiten stattfinden. Insgesamt brennen mehr als 1.5 Millionen Hektar.

In den letzten Jahren wurden wiederholt Rekordtemperaturen in Sibirien gemessen, die für Forschende direkte Folge des Klimawandels sind. Die hohen Temperaturen führen zum Abschmelzen des Permafrosts. Hinzu kommt die durch die Brände verursachte Luftverschmutzung. Die Menschen in der Region sind dem giftigen Rauch mehr oder weniger schutzlos ausgesetzt.

Gespenstische Rauchschwaden hüllen Städte ein

«Die Lage ist katastrophal», berichtet Christina Nagel, Leiterin des ARD-Hörfunks in Moskau. «Auf den Bildern erkennt man, wie rauchgeschwängert die Luft ist, nicht einmal mehr die Sonne kommt durch. Der beissende Qualm leuchtet gespenstisch orange – das hat natürlich Folgen für die Gesundheit.» Die Luft sei zu einem toxischen Gemisch geworden, was die Lage für die Menschen vor Ort so gefährlich mache.

Gräben in Jakutien, die die Feuer eindämmen sollen
Legende: Die riesige Region Jakutien verzeichnete diesen Sommer über längere Zeit extrem heisses und trockenes Wetter mit Temperaturen bis zu 39 Grad. Reuters

Die gute Nachricht: Die Brände selbst haben die Dörfer und Städte glücklicherweise noch nicht erreicht. In den betroffenen Regionen sind tausende Feuerwehrleute, Katastrophenhelfer, Freiwillige und auch die Armee im Einsatz. Sie versuchen durch Gräben Schneisen in die Brandherde zu schlagen, aus der Luft werden sie von Löschflugzeugen unterstützt.

«Angesichts dieser enormen Fläche, die brennt und wechselnder Winde, die die Löscharbeiten zusätzlich erschweren, ist das alles aber ein Tropfen auf den heissen Stein», so Nagel. Besserung ist vorderhand nicht in Sicht: Trotz vereinzelter Schauer soll es bis Mitte August weiter heiss und trocken bleiben in den Brandregionen.

Mangel an Geld und Wille

Waldbrände in Sibirien seien an sich nicht ungewöhnliches, so die Journalistin. Und sie entstünden oft auch aus Unachtsamkeit: Hier eine weggeworfene Zigarette, dort ein Lagerfeuer in der ausgedörrten Wildnis. «Angesichts des aufgeheizten Bodens brauchte es dieses Jahr auch nicht viel, um das Ganze in Brand zu setzen.»

Über Jakutsk, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Jakutsia, ziehen Rauchschwaden.
Legende: Auch über Jakutsk, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Jakutsia, ziehen Rauchschwaden. Keystone

Nicht zuletzt fehle auch das Geld, um einen funktionierenden Brandschutz und Gefahrenprävention zu betreiben – etwa auch durch Beobachtungsflüge, um Brandherde frühzeitig zu erkennen. «Und es fehlt auch an Förstern und Naturschützern, die rechtzeitig reagieren und Alarm schlagen können.»

Nagels ernüchterndes Fazit: «Jedes Jahr aufs Neue habe ich das Gefühl, dass die Behörden den Ernst der Lage erst erkennen, wenn es an allen Ecken und Enden in diesem Riesenreich brennt.» Und auch auf hoher politischer Ebene werde über den Klimawandel geredet. Aber: «Sobald das Problem wieder abebbt, ist es auch sehr schnell wieder vergessen.»

 

SRF 4 News, 23.07.2021, 07:45 Uhr ; 

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