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Rentenalter 64 Aufstand gegen Macrons «Angriff auf französische Lebenskultur»

Präsident Emmanuel Macron will das Rentenalter erhöhen – und sticht damit in ein Wespennest, sagt Frankreich-Kenner Gilbert Casasus.

Es war eine Machtdemonstration der Gewerkschaften – und ein Warnruf an Präsident Emmanuel Macron: In Frankreich gingen am Donnerstag landesweit über eine Million Menschen auf die Strasse, um gegen die Rentenreform der Regierung zu demonstrieren. Im Kern geht es bei der Reform um das Rentenalter, das von 62 auf 64 Jahre angehoben werden soll.

Im europäischen Vergleich ist das Rentenalter in Frankreich und Schweden am niedrigsten, auch das Verhältnis von Beiträgen und Leistungen ist vergleichsweise sehr gut. Nun soll es vorbei sein mit dem französischen Frührentnertum.

Streikende in Paris
Legende: Der Streik vom Donnerstag legte das Land regelrecht lahm: Es fuhren weniger Busse und Züge, viele Schulen blieben zu. Dazu kam es zu wüsten Szenen: An Demos flogen Steine, die Polizei griff zum Tränengas. Keystone/EPA/Yoan Valat

Für Gilbert Casasus, emeritierter Professor für Europastudien an der Universität Freiburg, kommt der heftige Unmut denn auch nicht überraschend. «Die Franzosen wissen, dass es ein Leben nach der Arbeit gibt.» Dazu kommt: Im politischen Diskurs Frankreichs habe das Rentenalter schon immer eine grosse Rolle gespielt, erklärt der französisch-schweizerische Doppelbürger.

Die Pläne, das Rentenalter auf 64 heraufzusetzen, werden als Angriff gegen eine Art französische Lebens- und Sozialkultur empfunden.
Autor: Gilbert Casasus Emeritierter Professor für Europastudien an der Uni Freiburg

So hat François Mitterand 1981, als er zum Präsidenten gewählt wurde, das Rentenalter auf 60 Jahre heruntergesetzt. «Das ist heute nicht mehr möglich, da die Menschen länger leben», sagt Casasus zum damaligen Vorgehen des sozialistischen Präsidenten.

Die Eckpunkte der Rentenreform

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Die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron will das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Ausserdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen aussergewöhnlich hart sind, soll es jedoch früher in den Ruhestand gehen.

Für viele Französinnen und Franzosen gilt das tiefe Rentenalter als eine zentrale soziale Errungenschaft. Laut Umfragen lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Rentenreform ab. «Die Pläne, das Rentenalter auf 64 heraufzusetzen, werden als Angriff gegen eine Art französische Lebens- und Sozialkultur empfunden», sagt Casasus.

Zentrales Projekt von Macrons zweiter Amtszeit

Präsident Macron wollte das Rentensystem schon in seiner ersten Amtszeit reformieren. Nach wochenlangen Streiks und dem Aufflammen der Corona-Pandemie wurde das Vorhaben aber verschoben.

In einer Stellungnahme bezeichnete Macron die Proteste zwar als legitim. «Alle dürfen ihre Meinung kundtun, das ist ein Grundprinzip der Demokratie.» Um Gerechtigkeit zwischen den Generationen zu erhalten und die Renten zu sichern, sei die Reform aber nötig.

Wer zahlt die Zeche?

An ebendieser Gerechtigkeitsfrage entzünden sich die Geister. «Denn in der Seele der Franzosen wird die Reform abgelehnt, weil man den Eindruck hat: Diejenigen, die am wenigsten verdienen und ohnehin benachteiligt sind, müssen die Zeche für diese unsoziale Reform bezahlen», sagt der emeritierte Professor. 

«Liberté, Égalité, Fraternité» (dt: «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit») lautet der Wahlspruch der französischen Republik – und die Gleichheit werde für viele Menschen in Frankreich durch die Reform geritzt. «Die Proteste sind Ausdruck einer grossen Unzufriedenheit im Land», schliesst Casasus.

Heute Morgen, 20.01.2023, 6:08 Uhr ; 

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