Im 10. Stock eines Wohnblocks am Stadtrand von Shanghai. Hier wohnt Li Yuanling. Sie arbeitet im Moment von zu Hause aus. Home-Office. Nicht wegen Covid, sondern weil ihr Arbeitgeber gerade umzieht.
Li arbeitet als Buchhalterin. Sie ist 39, in gut zehn Jahren wird sie pensioniert. Mit 50 in Rente gehen, sei etwas gar früh, findet Li. Die Arbeit halte die Menschen jung. Gerne würde sie noch etwas länger arbeiten.
Mit 60 kommt man mit den jungen Arbeitskollegen doch nicht mehr mit.
«Bis 55 oder 60. Das finde ich ein akzeptables Pensionsalter. Aber über 60 hinaus? Mit 60 kommt man mit den jungen Arbeitskollegen doch nicht mehr mit.» Und Li Yuanling hat noch eine weitere Sorge, falls das Rentenalter erhöht wird. «Was, wenn meine Firma schliesst und ich einen neuen Job finden muss? Was mache ich dann?» Dann erhalte sie noch keine Rente. Mit über 50 eine neue Stelle zu finden, sei schwierig.
Langsame Erhöhung
Die chinesische Regierung plant eine Rentenreform. Das Rentenalter soll in den kommenden Jahren sukzessive erhöht werden. Jeweils um wenige Monate, je nach Region und angepasst an die Branchen, liess ein Experte in der amtlichen Nachrichtenagentur verlauten.
Wenn sie mich zwingen, auch noch mit 55 Bus zu fahren, dann fahre ich einfach in einem Tempo, mit dem ich die Sicherheit garantieren kann. Von mir aus langsamer als Schritttempo.
Viele Details der Reform sind noch nicht bekannt, aber der Regierung dürfte bewusst sein, wie heikel das Thema ist – und es deshalb langsam angehen. Um eine Reform komme die Regierung ohnehin nicht herum, sagt der Demographie-Experte Yi Fuxian. Chinas Gesellschaft werde rapide altern.
Yi macht dafür vor allem die Jahrzehnte lang vorgeschriebene «Ein-Kind-Politik» verantwortlich. Diese wurde später zur Zwei-Kind-Politik und nun schliesslich zur Drei-Kind-Politik. Die Regierung müsse das Rentenalter deshalb heraufsetzen, sagt Yi. Langfristig nicht nur auf 60 oder 65, sondern sogar auf 70 Jahre.
«Sollen doch die Manager länger arbeiten»
Unvorstellbar für Lin Ke. Der 42-Jährige arbeitet in Peking als Busfahrer. «Jeden Tag auf der Strasse zu fahren, das fordert volle Konzentration und ist anstrengend.» Aktuell würde Lin mit 55 pensioniert, er hätte also noch 13 Jahre. Das sei lange genug. Danach, sagt Lin, möchte er das Leben geniessen: Am Morgen ausschlafen, die Fische im Teich füttern.
Doch was, wenn er länger arbeiten muss? Lin gibt sich trotzig: «Wenn sie mich zwingen, auch noch mit 55 Bus zu fahren, dann fahre ich einfach in einem Tempo, mit dem ich die Sicherheit garantieren kann. Von mir aus langsamer als Schritttempo.»
Vor allem Angestellte in anstrengenden Berufen hätten Anrecht auf eine frühe Pension. Sollen doch die Manager länger arbeiten, sagt Fahrer Lin, gerne bis 70. Die hätten es schliesslich schön angenehm in ihren klimatisierten Büros.