Darum geht es: In Äthiopien ist der Staudamm GERD (Grand Ethiopian Renaissance Dam) fertiggestellt worden. Er kann mehr Wasser speichern als der Genfersee. Mehr als zehn Jahre lang wurde am Oberlauf des Nils gebaut, jetzt soll die Mega-Anlage Äthiopien zum Aufschwung verhelfen und das Land zum Stromexporteur machen. Wenig Freude am Damm haben die am Unterlauf des Nils liegenden Nachbarländer Ägypten und Sudan. Sie sorgen sich ums eigene Wasser.
Sudan und Ägypten befürchten, dass Äthiopien das Wasser nach Belieben abstellen kann.
Die Bedenken: Der Blaue Nil, an dem der Staudamm steht, liefert rund die Hälfte des Wassers, das im Assuan-Staudamm weiter unten am Flusslauf des Nils in Ägypten verwendet wird. Wenn nun also im GERD so viel Wasser angestaut wird, wird dieses Wasser am Assuan-Staudamm womöglich fehlen. «Sudan und Ägypten befürchten, dass Äthiopien jetzt am Wasserhahn sitzt und das Wasser nach Belieben abstellen kann», sagt Hans Hurni, emeritierter Geografie-Professor aus Bern.
Die Vorgeschichte: Im Jahr 2020 war versucht worden, eine Vereinbarung zwischen den drei Ländern zu erzielen, damit der Wasserabfluss aus dem Staudamm gemeinsam gemanagt werden könnte. Doch: «Äthiopien stellte sich auf den Standpunkt: Der Damm steht auf unserem Boden, also entscheiden wir in unserem Sinne über das Wasser», sagt Geograf Hurni. Immerhin: Äthiopien will den Stausee nicht so schnell wie möglich füllen und so etwas mehr Wasser durchlassen, als zunächst befürchtet. «Damit wird den Bedenken Ägyptens in gewisser Weise Rechnung getragen.»
Die Drohung Ägyptens: Kairo ging vor fünf Jahren sogar so weit, mit einer Bombardierung des Renaissance-Damms zu drohen, falls der Betrieb des ägyptischen Assuan-Staudamms gefährdet sein sollte. Inzwischen ist der GERD aber fast vollgelaufen. Wenn der Damm also jetzt zerstört würde, würden vor allem Sudan und Ägypten von den Wassermassen überflutet. «Es ist wohl zu spät für Ägypten, etwas gegen die Vollendung des Dammes zu unternehmen», stellt Hurni fest.
Die Hoffnung Äthiopiens: Äthiopien hat einen Grossteil des Dammes selber finanziert und hofft jetzt auf grosse Fortschritte bei der Elektrifizierung des Landes. In der Tat wird künftig sehr viel mehr Strom produziert als bisher: Bei maximaler Produktion von 5000 Megawatt wäre es eine Verdoppelung des bisher in Äthiopien produzierten Stroms. Ausserdem hofft die Regierung von Ahmed, Strom in die Nachbarländer zu verkaufen und so Deviseneinnahmen generieren zu können.