Der britische Botschafter, Sir Kim Darroch, hatte die Trump-Regierung in vertraulichen Depeschen als unfähig und untauglich bezeichnet. Präsident Donald Trump nannte Darroch daraufhin «verschroben», «dumm» und einen «eingebildeten Narren». Gemeinsame Termine wurden bereits abgesagt.
Am Dienstagabend, anlässlich der wohl einzigen direkten Debatte zwischen den beiden konservativen Anwärtern auf das Premierministeramt, hatte sich Aussenminister Jeremy Hunt vorbehaltlos hinter den Botschafter gestellt.
Britische Werte laut May unter Beschuss
Sein Vorgänger, Boris Johnson, unterstrich dagegen seine guten Beziehungen zum Weissen Haus. Die noch immer amtierende Premierministerin Theresa May rügte ihren mutmasslichen Nachfolger heute im Unterhaus dafür.
Das Unterhaus möge bedenken, wie wichtig die Verteidigung britischer Werte und Prinzipien sei, namentlich wenn sie unter Beschuss gerieten, so May.
Tom Tugendhat, konservativer Vorsitzender des aussenpolitischen Ausschusses, kritisierte Johnson ebenfalls indirekt: Wer Leute wie Darroch nicht unterstütze, entwerte den Botschafterposten, damit verliere man an Einfluss und schwäche Grossbritannien. Der Seitenhieb galt damit just dem Mann, der mit dem Brexit die britische Souveränität neu beleben will.
Den Botschafter unter den Bus geworfen
Alan Duncan, amtierender konservativer Staatsminister im britischen Aussenministerium, nahm auch kein Blatt vor den Mund: Johnson, der frühere Aussenminister, der hoffe, Premierminister zu werden, habe soeben den höchsten britischen Diplomaten unter den Bus geworfen – also geopfert.
Johnson selbst konzentrierte sich heute auf jene Person, die – aus scheinbar böswilligen Motiven – die Depeschen an eine in den Kreisen rabiater Brexiteers gut vernetzte Journalistin weitergegeben hatte: Er hoffe, dass der oder die Schuldige «gejagt, geschnappt und ausgeweidet» werde.
Schmeichelt sich Johnson bei Trump ein?
Duncan, sein Parteikollege und früherer Amtskollege im Aussenministerium, kommentierte diese Bemerkung im BBC-Studio trocken und lakonisch mit «verlogenes Gewäsch». Der gravierende Vorwurf an den vermutlich nächsten Premierminister lautet also, dass er die Integrität und Unparteilichkeit der britischen Diplomatie geopfert habe, um sich bei Trump einzuschmeicheln.
Der Austritt aus der EU bedroht – nicht zum ersten Mal – die Eckpfeiler des britischen Gemeinwesens und der politischen Kultur.