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Rücktritt von Mesut Özil Viele Deutsche türkischer Herkunft bezeichnen sich als Türken

Die doppelte Staatsbürgerschaft zu verbieten, ist keine Lösung. Eine Analyse zur Akte des Fussballers Mesut Özil.

Der Fall Mesut Özil wirft ein Schlaglicht auf die Integration türkischer Einwanderer und ihrer Kinder in Deutschland. Viele klagen, obwohl sie sich immer «um die Liebe der Deutschen» bemüht hätten, würden sie nach wie vor als Bürger zweiter Klasse betrachtet. Das ist nicht erst seit dem Fall Özil bekannt.

Umgekehrt bezeichnen sich viele Deutsche türkischer Herkunft als Türken. Sie sagen, «ich komme aus der Türkei», obwohl sie sagen müssten, «ich komme aus Duisburg, Hagen oder Wuppertal», weil sie dort geboren und aufgewachsen sind, obwohl viele von ihnen nicht einmal Doppelbürger sind, sondern nur noch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Auch Özil ist in Gelsenkirchen geboren und hat nur die deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Amt statt die Person respektieren

Doch viele deutsche Staatsbürger mit türkischem Hintergrund, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben und Deutsche sind, fühlen sich als Türken, konsumieren auch türkische und nicht deutsche Medien. Seine Mutter habe ihn immer gemahnt, nicht zu vergessen, wo er herkomme, schreibt Özil auf Twitter, wo er 23 Millionen Follower hat.

Es sei beim Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht um Politik oder die bevorstehenden Wahlen in der Türkei gegangen, sondern darum, «das höchste Amt des Landes meiner Familie zu respektieren». Und hier ist der entscheidende Punkt: Demokratische Rechtsstaaten respektieren das Amt, nicht die Person. Als Journalist spreche ich von Präsident Erdogan, Präsident Trump, Präsident Putin, aus Respekt vor dem Amt, nicht aus Sympathie oder Antipathie für die Person.

Simple Ausrede

Aber ausgerechnet Präsident Erdogan hat die türkische Verfassung in ihrem Kern verändert. Dass Özil die Unterscheidung von Amt und Person gerade eben nicht gemacht hat und sich mit der viel zu simplen Ausrede «mein Beruf ist Fussballer, nicht Politiker» herausredet, ist ihm vorzuwerfen.

Aber es gibt auch noch eine andere Seite: Der Deutsche Fussball-Bund versuchte Özil die Schuld für das klägliche Scheitern Deutschlands an der WM zu geben. Er galt als vermeintlich simpler Sündenbock bei der Rettung des eigenen Jobs. Trainer Jogi Löw, der Chef der Nationalmannschaft, ist abgetaucht und nippt Espresso in Freiburg. Und Rechtsextreme hetzen gegen Özil.

Zum Land bekennen

Ein Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft aber ist keine Lösung. Özil hat nur einen Pass. Und jeder, der Menschen mit Migrationshintergrund kennt, weiss, dass beide, das Land der Herkunft und die aktuelle Heimat, zu diesem Menschen gehören. Man muss die Herkunft nicht verleugnen, um sich zum Land, in dem man lebt, zu bekennen.

Peter Voegeli

Peter Voegeli

Italien-Korrespondent

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Peter Voegeli ist seit Januar 2022 Italien-Korrespondent von Radio SRF. Von Rom aus hat er auch den Vatikan, Griechenland und Malta im Blick. Zwischen 2005 und 2011 berichtete er als USA-Korrespondent aus Washington DC. Danach war er während dreieinhalb Jahren Moderator von «Echo der Zeit» und von 2015 bis 2021 Deutschland-Korrespondent in Berlin. Von 1995 bis 2005 arbeitete der Historiker als Korrespondent für Schweizer Printmedien in Bonn und Berlin.

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