Vielen dürfte gar nicht bewusst sein, dass sich auf dem weitläufigen Gelände des Nato-Hauptsitzes in Brüssel auch eine offizielle russische Vertretung befindet, eine Art Militärbotschaft. Dort waren zeitweilig mehrere Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Damit ist nun Schluss.
Die russische Order, die Mission zu schliessen, ist die direkte Antwort darauf, dass das westliche Militärbündnis vor zehn Tagen acht Mitarbeitern der russischen Nato-Mission in Brüssel die Akkreditierung entzogen hat. Sie sollen ihren diplomatischen Status für Geheimdiensttätigkeit missbraucht haben.
Risiken wurden reduziert
Damit wird eine zwanzigjährige Verbindung zwischen Ost und West gekappt, die zumindest anfangs durchaus für eine gewisse Annäherung sorgte und zur Vertrauensbildung beitrug. Vor allem sorgte der ständige Austausch dafür, Risiken zu reduzieren.
Zu verhindern, dass bewusste oder unbewusste Luftraumverletzungen, Annäherungen feindlicher Schiffe oder der Einsatz von Störsendern gleich zu einer grossen militärischen Eskalation führten. Solche brenzligen Situationen häufen sich. Ost und West verstehen sich, spätestens seit der russischen Annexion der Krim, wieder als erbitterte Widersacher.
Die russische Mitgliedschaft in der «Partnerschaft für den Frieden» der Nato ist mittlerweile Makulatur. Der Nato-Russland-Rat trifft sich nurmehr äusserst selten – und wenn, dann ergebnislos.
Verhältnis ist zerrüttet
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow verbindet nun die Missionsschliessung mit dem Vorwurf, die Nato sei «grundsätzlich nicht mehr interessiert an einem gleichberechtigten Dialog». Moskau glaubt offenkundig nicht mehr an eine Wiederannäherung in absehbarer Zukunft.
Bei der Nato sieht man das Verhältnis ebenfalls als zerrüttet. Hinter vorgehaltener Hand heisst es zudem, eine Partnerschaft sei undenkbar, solange in Moskau Präsident Wladimir Putin regiert.
Potenzial für Auseinandersetzungen
Wenn man sich unversöhnlich gegenübersteht, ist ein regelmässiger Austausch unverzichtbar, von Feind zu Feind sozusagen. Immerhin prallen in Europas Osten zwei der drei grossen militärischen Akteure der Welt direkt aufeinander.
Selbst der kleinste Zusammenstoss birgt das Potenzial für eine grosse Auseinandersetzung. Erst recht, wenn die Kommunikationskanäle nicht mehr funktionieren. Daher ist die aktuelle Zuspitzung nicht bloss diplomatisch ärgerlich, sondern zugleich militärisch brandgefährlich.