China präsentiert sich in diesen Tagen als grosszügiger Gastgeber. Präsident Xi Jinping hat zum Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in der Hafenstadt Tianjin geladen – sucht dabei die Nähe zu Indien und rollt dem russischen Präsidenten den roten Teppich aus. Das Ziel Chinas: nichts Geringeres, als eine neue Weltordnung zu schaffen. Eine Welt, die nicht allein unter der Vorherrschaft der USA und den westlichen Alliierten steht. Roland Popp, Experte für Sicherheitspolitik an der ETH Zürich, sagt: US-Präsident Trump hat die Vision Chinas befeuert.
SRF: Die Chinesen streben eine neue Weltordnung an – was würde diese Verschiebung des Weltgefüges bedeuten?
Roland Popp: Die Welt bewegt sich hin zu dem, was man eine multipolare Weltordnung nennt – und die ist auch offen so gewollt von den Chinesen.
Trump hat es geschafft, die Inder in die Hände der Chinesen zu treiben.
Sie sieht fast wie ein Schulterschluss aus. Inwiefern ist der real?
Ich glaube, er ist nicht wirklich real. Was wir hier sehen, ist im Grunde der Effekt einer fehlgeleiteten amerikanischen Politik unter einem sehr volatilen US-Präsidenten Trump, der es nun zum Beispiel geschafft hat, die Inder in die Hände der Chinesen zu treiben. Die Inder hatten wirklich versucht, zwischen den entstehenden Blöcken zu lavieren. Doch jetzt hat Trump hohe Zölle gegen Indien aufgefahren – und wir sehen den Effekt überall in der Welt. Er hat sich auch mit den Brasilianern und den Südafrikanern überworfen – und jetzt wird die chinesische Vision einer multipolaren Welt immer realistischer.
Was heisst diese Gemengelage nun für Europa?
Europa muss seinen Weg wiederfinden. Wir lebten so ein bisschen in einer Friedensidylle – die wir uns auch selber eingeredet haben –, und wir haben verlernt, strategisch zu denken. Und das ist das Wichtigste: Wieder strategisch denken zu lernen und daran zu denken: Wie kann man Europa wieder stark und autonom machen?
Was Europa braucht, ist vor allem Eigenständigkeit.
Aufrüstung gehört mit Sicherheit dazu – eine übertriebene Kriegsangst zu schüren, gehört sicherlich nicht dazu. Was Europa braucht, ist vor allem Eigenständigkeit.
Das Gespräch führte Viviane Manz.