Ein erbitterter Grenzstreit zwischen Thailand und Kambodscha ist dramatisch eskaliert. In der Grenzregion gab es beiden Ländern zufolge heftige Schusswechsel, mehrere Menschen wurden getötet. Die Hintergründe erläutert SRF-Südostasienkorrespondent Martin Aldrovandi.
Was genau ist los an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha?
Die bereits seit einiger Zeit angespannte Lage ist dramatisch eskaliert: Kambodscha hat Raketen und Artillerie auf thailändisches Gebiet abgefeuert. Unter anderem wurde eine Tankstelle getroffen. Davon ist ein Video viral gegangen. Im Gebiet auf thailändischer Seite wurden Zehntausende Menschen in Sicherheit gebracht, auch Spitalpatienten in Grenznähe. Das thailändische Militär wiederum flog Luftangriffe auf kambodschanisches Gebiet, dabei habe man Militärstellungen ins Visier genommen, hiess es.
Wie reagieren die Regierungen in Kambodscha und Thailand auf die Eskalation?
Beide Regierungen geben der jeweils anderen Seite die Schuld dafür – es habe also die andere Seite mit dem Beschuss angefangen. Darauf habe man reagieren müssen, beziehungsweise man habe sich bloss verteidigt. Thailand hat sämtliche Grenzübergänge in der Region geschlossen. Kurz vor der Eskalation wies Thailand bereits den kambodschanischen Botschafter aus und zog zugleich seinen eigenen Botschafter aus Kambodscha zurück. Landsleute, die sich noch in Kambodscha befinden, wurden aufgerufen, das Land so bald wie möglich zu verlassen.
Eindrücke aus Thailand nach dem Schusswechsel mit Kambodscha
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Bild 1 von 11. Geflüchtete finden Zuflucht in einer Notunterkunft in der Provinz Surin in Thailand. Bildquelle: Keystone/Sakchai Lalit.
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Bild 2 von 11. In der thailändischen Provinz Surin nahe der Grenze wurde ein Spital von kambodschanischem Artilleriefeuer getroffen. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Sunny Chittawil.
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Bild 3 von 11. Wegen der Gefechte haben sich die Menschen in Thailand in Unterschlüpfe zurückgezogen. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Sunny Chittawil.
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Bild 4 von 11. Eine verletzte Person wird ins Spital eingeliefert. Bildquelle: Keystone/EPA/KAIKUNGWON DUANJUMROON.
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Bild 5 von 11. Ein thailändischer Truppentransporter rollt durch die Grenzprovinz Surin. Bildquelle: Keystone/EPA/KAIKUNGWON DUANJUMROON.
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Bild 6 von 11. Die thailändischen Behörden evakuierten Bewohnerinnen und Bewohner aus Grenzdörfern. Bildquelle: Keystone/EPA/KAIKUNGWON.
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Bild 7 von 11. Die Menschen fanden in Notunterkünften Schutz. Bildquelle: REUTERS/Pansira Kaewplung.
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Bild 8 von 11. Kambodschanischer Beschuss traf einen Laden in Thailand. Bildquelle: IMAGO/The Royal Thai Army.
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Bild 9 von 11. Auf Fernsehbildern war ein thailändischer Militärkonvoi auf dem Weg ins Grenzgebiet zu sehen. Bildquelle: AFP.
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Bild 10 von 11. Polizisten regeln in einem thailändischen Grenzort den Verkehr. Bildquelle: Keystone/EPA/KAIKUNGWON DUANJUMROON.
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Bild 11 von 11. Freiwillige verteilen Wasser in einer Notunterkunft. Bildquelle: Keystone/EPA/KAIKUNGWON DUANJUMROON.
Warum haben sich die Beziehungen der beiden Länder zuletzt verschlechtert?
Im Zentrum steht ein alter Grenzstreit. Es geht um ein Gebiet mit historischen Tempelanlagen. In dem Gebiet ist die genaue Grenzlinie zwischen den beiden Ländern seit Jahrzehnten umstritten. Der Konflikt geht auf die Kolonialzeit zurück – und es ist seither immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Seit Mai haben sich die Vorfälle wieder gehäuft. Auch da machen sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich. Erst gerade sind mehrere thailändische Soldaten von Landminen verletzt worden. Laut dem Militär hat ein Soldat sogar ein Bein verloren. Das Ganze hat auch eine wichtige innenpolitische Komponente und befeuert nationalistische Gefühle in beiden Ländern. Das bekam auch Thailands Ministerpräsidentin Paetongtarn Shinawatra zu spüren. Nach einem geleakten Telefonat mit dem früheren Premier von Kambodscha musste sie von ihrem Amt zurücktreten.
Droht jetzt ein regelrechter Krieg?
Ein ausgewachsener Krieg scheint im Moment eher nicht wahrscheinlich. Aber die Gefahr einer weiteren Eskalation besteht, nachdem es Tote, Verletzte und Evakuierungen gab. Inzwischen hat sich Malaysia, das derzeit den Asean-Vorsitz innehat, besorgt gezeigt. Es will mit den Regierungen beider Staaten sprechen. Und auch die chinesische Regierung hat ihre Sorge ausgedrückt. Sollte keine diplomatische Bewegung in die Sache kommen, droht die Gefahr, dass sich die Situation weiter zuspitzt.