Zum Inhalt springen

Schweiz im UNO-Sicherheitsrat Die Schweiz übernimmt den Vorsitz – die wichtigsten Antworten

Ab heute Montag steht die Schweiz dem mächtigsten UNO-Gremium vor. Welchen Stellenwert hat der Sicherheitsrat?

Warum übernimmt die Schweiz den Vorsitz? Die UNO-Staaten haben die Schweiz für die Jahre 2023 bis 2024 als Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt. Und die Mitglieder übernehmen in alphabetischer Reihenfolge jeweils für einen Monat den Vorsitz. Die Schweiz hat ihn im Mai 2023 und dann nochmals im Oktober 2024 inne.

Die Schweizer UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl spricht zur Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Legende: Die Schweizer UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl spricht zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. KEYSTONE/Alessandro della Valle

Welche Aufgabe hat das Vorsitzland? Es leitet am UNO-Hauptsitz in New York die Sitzungen des Sicherheitsrats, die es gemeinsam mit dem UNO-Sekretariat vorbereitet. Gleichzeitig bleibt das Vorsitzland ordentliches Mitglied, nimmt also an allen Abstimmungen teil.

Warum gibt es den Sicherheitsrat überhaupt? Nach dem Zweiten Weltkrieg mit mehr als 60 Millionen Toten wollten die Siegerstaaten eine neue Organisation schaffen, um den Frieden zu sichern und Kriege zu verhindern. Deshalb wurde 1945 die UNO gegründet, mit dem Sicherheitsrat als mächtigstem Organ.

Welche Kompetenzen hat der Rat? Als einziges Organ kann er Entscheide über Krieg und Frieden treffen, die für alle Staaten der Welt rechtlich verbindlich sind. Er kann also zum Beispiel Blauhelmtruppen für eine Friedensmission entsenden, Wirtschaftssanktionen erlassen oder sogar die Armee eines UNO-Staats beauftragen, in einen Krieg einzugreifen.

Wie ist der Rat zusammengesetzt? Er hat 15 Mitgliedstaaten. Ständig dabei sind die fünf Siegerstaaten des Zweiten Weltkriegs: China, Frankreich, Grossbritannien, Russland und die USA. Dazu kommen zehn nichtständige Mitglieder, wovon zwei die Weltregion «Westeuropa» vertreten: im Moment die Schweiz und Malta.

Schweiz im UNO-Sicherheitsrat: Im Schatten der Ost-West-Krise

Box aufklappen Box zuklappen

Als die Schweiz 2011 ihre Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat einreichte, ahnte niemand, in welch spannungsreiche Zeit die Mitgliedschaft fallen würde. Der Ukraine-Krieg, aber auch die Spannungen zwischen China und den USA, zwischen Ost und West, haben den Rat nämlich in einen Dauerkrisenmodus versetzt. Mit der Schweiz mittendrin.

Zum Eklat kam es etwa am 5. April, als Russland seine Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa per Video zuschalten liess – ausgerechnet jene Frau, gegen die der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder erlassen hat.

Die Delegationen der USA, Grossbritanniens, Albaniens und Maltas verliessen aus Protest den Ratssaal. Die Schweizer Delegation blieb, kritisierte aber die Einladung Lwowa-Belowas. Der Spagat ist typisch für die Schweiz: Sie verurteilt Russlands Krieg gegen die Ukraine, will aber gleichwohl am Verhandlungstisch bleiben.

Und dort gab es viel zu tun. In den ersten vier Monaten der Schweizer Mitgliedschaft hielt der Rat mehr als 100 offizielle Sitzungen ab, an denen neun Resolutionen verabschiedet wurden. Auf der Tagesordnung fehlte kaum einer der Krisenherde der Welt, von A wie Afghanistan bis Z wie Zypern. Als grössten Erfolg feiert das Schweizer Aussendepartement, dass es eine Resolution zur Abstimmung brachte, welche die humanitäre Hilfe für Syrien bis Juni 2023 verlängert.

Überhaupt habe die Schweiz bisher einen «guten Job» gemacht, bilanziert die Schweizer UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl. Wobei sich die Schweiz vier Schwerpunktziele gesetzt hat, darunter die Förderung «nachhaltigen Friedens», der «Klimasicherheit» und auch der «Effizienz» der Arbeit im Sicherheitsrat.

Ziele, die aber bisher ganz im Schatten der Dauerkrise zwischen Ost und West standen – und dort noch bis am Ende der Schweizer Mitgliedschaft, also bis Ende 2024, bleiben dürften.

Wer entscheidet? Wichtigen Entscheiden müssen neun der 15 Mitglieder zustimmen, wobei die fünf ständigen ein Vetorecht haben. Die Staaten werden häufig von einer Diplomatin oder einem Diplomaten vertreten, manchmal auch von einem Regierungsmitglied oder sogar dem Staatsoberhaupt. So wird die Schweiz in einzelnen Sitzungen von Bundespräsident Alain Berset oder Aussenminister Ignazio Cassis vertreten, meist aber von UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl.

Welches waren die grössten Erfolge des Rats? Nach dem Ende des Kalten Krieges arbeiteten die Vetostaaten im Sicherheitsrat vertrauensvoll zusammen. So beschloss der Rat 1990 einen Militäreinsatz gegen Irak, um dessen Überfall auf Kuwait zu stoppen. Oder er schuf 1993 den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, der mehrere Kriegsverbrecher ins Gefängnis brachte.

Welches waren die grössten Misserfolge? Immer wieder stand der Sicherheitsrat in der Kritik, zu spät oder zu zögerlich gehandelt zu haben, etwa gegen die Völkermorde in Ruanda 1994 oder Bosnien-Herzegowina 1995. Und wenn einer der fünf Vetostaaten selbst Krieg führt oder das internationale Recht verletzt, ist der Rat machtlos.

Welche Rolle spielt der Rat heute? Die Spannungen zwischen den Vetomächten USA, Russland und China haben dazu geführt, dass der Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren hat. Das zeigt sich besonders deutlich im Ukraine-Krieg, den der Rat nicht verhindern und in dem er bisher auch keine Vermittlerrolle spielen konnte. Der UNO-Sicherheitsrat steckt in einer der grössten Krisen seit seiner Gründung vor 78 Jahren.

Rendez-vous, 24.04.2023, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel