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Schweiz im UNO-Sicherheitsrat Ernüchterndes 2023: Weltfrieden im Minus

Mit dem Slogan «ein Plus für den Frieden» hatte sich die Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat in New York beworben. In ihrer zweijährigen Mitgliedschaft wolle sie als «Prioritäten» den «nachhaltigen Frieden fördern», die «Zivilbevölkerung schützen» und die «Effizienz» des wichtigsten UNO-Organs verbessern. Die anderen Staaten verhalfen der Schweiz zu einem Glanzresultat bei der Wahl in den Rat.

Gemessen an diesen Prioritäten fällt die Halbzeitbilanz nach einem Jahr ernüchternd aus. 2023 war ein schlechtes Jahr für den Rat – und ein miserables für den Weltfrieden.

Keine Erfolge – dafür Gehässigkeiten

Weder den Ukraine- noch den Gaza-Krieg konnte der UNO-Sicherheitsrat beenden. Die Berichte häufen sich, wonach Nordkorea Waffen an Russland liefert, obwohl der Rat dies einst verboten hatte. Im Sommer scheiterten die Verhandlungen über Hilfslieferungen in syrische Rebellengebiete. Und nun werden auch die UNO-Missionen in Mali und im Sudan gestoppt.

Derweil ist der Rat zum Schauplatz für Rededuelle und Gehässigkeiten geworden. Nach dem Terroranschlag der palästinensischen Hamas gegen Israel kritisierte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres Israels «erdrückende Besatzung» der palästinensischen Gebiete. Israels UNO-Botschafter, Gilad Erdan, warf Guterres daraufhin «Verständnis für eine Kampagne des Massenmordes» vor und forderte seinen Rücktritt.

Ungenierter Gebrauch des Vetorechts

Zwar gibt es seit Jahrzehnten Kritik am Sicherheitsrat. Denn fünf der 15 Mitglieder sind ständig mit dabei und haben ein Vetorecht, nämlich China, die USA, Russland, Frankreich und Grossbritannien. Und diese «P5», wie sie im UNO-Jargon genannt werden, machen vom Vetorecht ungeniert Gebrauch, wenn es um eigene Interessen oder jene der engsten Verbündeten geht.

Russland verhindert jedwede Verurteilung wegen des Ukraine-Kriegs. Die USA schützen den Verbündeten Israel vor missliebigen Forderungen der anderen Ratsmitglieder. So stimmte die Schweiz am 8. Dezember für eine Resolution der Vereinigten Arabischen Emirate, die eine «humanitäre Waffenruhe» im Gazastreifen gefordert hätte – aber, wie ähnliche Resolutionen, am Veto der USA scheiterte.

Wachsende Gräben

Bis vor kurzem war der Rat jedoch in anderen Dossiers handlungsfähig, von Mali über Syrien bis Nordkorea. Das ist jedoch immer weniger der Fall. Der Ukraine- und der Gaza-Krieg haben die Gräben zwischen den Grossmächten vertieft, eine echte Debatte ist kaum noch möglich. Selten war der Weltfrieden stärker im Minus als 2023.

Das ist ernüchternd für die Ambitionen der Schweizer Diplomatie. Zumal ihr Sicherheitsratsteam mit Botschafterin Pascale Baeriswyl unter den Vertreterinnen und Vertretern der UNO-Staaten einen guten Ruf geniesst: Prinzipien verpflichtet, um Ausgleich bemüht, gut vorbereitet. Immer wieder sorgte die Schweiz auch dafür, dass in Sicherheitsresolutionen Hinweise aufs internationale Recht Eingang fanden.

Doch noch «ein Plus für den Frieden»?

Ein diplomatischer Coup ist der Schweiz aber bisher nicht gelungen. Die einzige Gaza-Resolution, welche die Abstimmung im Rat überstand, hatte Malta eingebracht. Sie forderte Mitte November «humanitäre Pausen und Korridore» und verwies vor allem auf das Schicksal der Kinder. Kurze Zeit später, am 24. November, trat eine sechstägige Waffenruhe in Kraft.

Noch ein Jahr bleibt der Schweiz, um «ein Plus für den Frieden» zu setzen. Alles deutet freilich darauf hin, dass es im Sicherheitsrat – und auf der ganzen Welt – nicht einfacher wird für die Diplomatie.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 19.12.2023, 12:45 Uhr

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