Die Schweiz hat den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, nicht angestrebt, bekommen hat sie ihn trotzdem. Es gab schlicht kein anderes Land, auf das sich die 57 Mitgliedsländer verständigen konnten.
Auch der Posten des Generalsekretärs war monatelang vakant. Ein reguläres Budget hat die Organisation auch nicht. Die internen Gräben sind tief, bisweilen unüberwindbar. Darauf verwies Bundesrat Ignazio Cassis bei der Vorstellung der Schweizer Prioritäten für das Vorsitzjahr 2026.
Ewiger Frieden als Illusion
Die Hoffnung, die der OSZE zugrunde liegt – dass sich in einer freiheitlichen, demokratischen Welt militärische Konfrontationen vermeiden lassen –, habe sich als Illusion erwiesen, sagte er.
Eine Welt voller Misstrauen, wo wieder pure Machtpolitik dominiert.
Cassis äusserte Respekt vor der Verantwortung, welche die Schweiz nun übernimmt – «in einer Welt voller Misstrauen, wo wieder pure Machtpolitik dominiert». Oberstes Ziel des Schweizer Vorsitzes sei, mit der OSZE zu einem Frieden für die Ukraine gemäss völkerrechtlichen Prinzipien beizutragen.
Die Zielsetzung ist naheliegend, in doppelter Hinsicht. Zum einen ist der Ukraine-Krieg die Hauptursache der Krise der OSZE. Zum andern böte eine halbwegs akzeptable Lösung die Chance für deren Wiedergeburt. Die Organisation verfügt über sicherheitspolitische Instrumente, kann Waffenstillstände überwachen, Inspektionen und Verifikationen durchführen.
Zwar wird eine Neuauflage der Mission mit unbewaffneten Beobachtern, wie es nach den Minsker Abkommen der Fall war, nicht genügen. Aber im Zusammenspiel mit anderen, europäischen Truppen oder UNO-Blauhelmen, wäre einiges möglich.
Russland einbeziehen
Als weitere Schweizer Prioritäten nannte Cassis den Einbezug neuer Technologien zur Schaffung einer sichereren Welt, die Stärkung der Demokratie und jene der OSZE als Organisation. Wichtig sei der Dialog, unter Einschluss aller Beteiligten. Das sollte selbstverständlich sein, ist aber eine grosse Herausforderung.
Denn Russland verletzt momentan sämtliche zehn Grundprinzipien der OSZE: von der Respektierung der Souveränität über den Verzicht auf Gewalt, die friedliche Streitbeilegung bis zur Achtung der Menschenrechte.
Dennoch muss die Schweiz in ihrer Vorsitzrolle auch Russland einbeziehen. Das werden ihr manche fast sicher als Besänftigungspolitik auslegen. Im Aussenministerium in Bern ist man sich dessen bewusst. Man weiss, dass mit der neuen Aufgabe keine Lorbeeren zu holen sind.
Was die Schweiz aber bieten kann, ist professionell, berechenbar, fair und transparent zu agieren.
Demokratie überall unter Druck
Nur sehr allgemein äusserte sich Cassis zu den Menschenrechten. Man kann das mutlos nennen, oder pragmatisch. Tatsache ist, dass in immer mehr OSZE-Mitgliedsländern Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte unter Druck sind. Die Organisation kann zwar dafür kämpfen, aber es sind vielfach Rückzugsgefechte.
Wer von der Schweiz für ihr Vorsitzjahr den grossen Wurf erwartet hat, oder zumindest ehrgeizige Ziele, wird enttäuscht sein. Man wird kleine Brötchen backen müssen – mit Russland und den USA als zwei überaus schwierigen Mitgliedern.
Aber immerhin wird die Schweiz unterstützt von Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien. Sie wollen, dass die OSZE überlebt. Damit man sie hat, wenn irgendwann bessere Zeiten anbrechen.