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Schwere Vorwürfe von Amnesty Skandinavien hat ein Problem mit sexueller Gewalt

Darum geht es: Es sei Zeit für Gerechtigkeit für Vergewaltigungsopfer in Skandinavien, lautet das Fazit eines neuen Berichts von Amnesty International. Zwar werde die Gleichstellung in Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark gross geschrieben. Doch vergewaltigte Frauen und Mädchen würden von der Justiz regelmässig im Stich gelassen, so die Menschenrechtsorganisation. Viele Fälle würden gar nicht erst angezeigt.

Starke Zunahme der Anzeigen: In den letzten zehn Jahren wurden in Skandinavien doppelt so viele Vergewaltigungsfälle angezeigt, wie in den zehn Jahren zuvor. Gleichzeitig sei es in nur halb so vielen Fällen tatsächlich zu Verurteilungen gekommen wie in der Vergleichsperiode, so der Amnesty-Bericht. «Die Vorwürfe von Amnesty sind sehr happig und schockierend», sagt SRF-Nordeuropamitarbeiter Bruno Kaufmann.

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Der Glanz blättert ab: Skandinavien gilt zwar als sehr fortschrittlich, was die Gleichberechtigung betrifft. Gleichzeitig kommt es aber, oftmals innerhalb von Familien und Beziehungen, zu vielen Gewaltfällen – und darüber wird meist geschwiegen. «Das ist ein grosses nordisches Paradox», so Kaufmann. So geht der Amnesty-Bericht von bis zu 50'000 Frauen aus, die allein in Finnland sexueller Gewalt ausgeliefert sind. Doch im Jahr 2017 kam es dort zu gerade mal 209 Verurteilungen wegen Vergewaltigung.

Fest verankerte Vorurteile: Die Gründe für die Problematik in Skandinavien liegen laut Amnesty unter anderem in «schädlichen Mythen und Geschlechterstereotypen». In der Tat war etwa im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal um die Schwedische Akademie – sie gibt den Literatur-Nobelpreis heraus – zu hören, die Frauen seien selber schuld und müssten sich vor dem betreffenden Mann halt schützen. Der Mythos, dass eigentlich die Opfer die Täter seien, führe dazu, dass Justiz und Polizei in vielen Fällen versage, so Kaufmann.

Gesetz soll helfen: In Schweden ist kürzlich ein Gesetz in Kraft getreten, das ausdrücklich das beiderseitige Einverständnis vor dem Sex verlangt. «Es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung», sagt Kaufmann. Die grosse Frage sei jedoch, ob Polizei und Justiz im ganzen Land mitziehen werden. «Es gibt einen Vertrauensverlust in die Behörden – und da hat Skandinavien im Moment ein grosses Problem.» Immerhin: Laut dem Amnesty-Bericht sind im letzten Jahr 28 Vergewaltiger verurteilt worden, nachdem in 30 Fällen auf das neue Gesetz Bezug genommen worden war.

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