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Schwimmende Barrieren «Ob die Flüchtlingsproblematik so gelöst wird, ist fragwürdig»

Griechenland will mit schwimmenden Barrieren vor den Küsten der Inseln Flüchtlinge und Migranten davon abhalten, an Land zu kommen. Das sagt die freie Journalistin Rodothea Seralidou zum neuen Plan der Regierung.

Rodothea Seralidou

Freie Journalistin

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Die Journalistin berichtet seit 2011 für SRF und ARD aus Griechenland. Sie lebt in Athen.

SRF: Ist diese Barriere eine Art Grenzzaun im Meer?

Rodothea Seralidou: Das geht schon in die Richtung der Grenzzäune, wie ihn beispielsweise auch Ungarn hat. Nur soll sich dieser an konkreten Stellen der Flüchtlingsrouten im Meer befinden und die Flüchtlinge entmutigen, die Überfahrt zu wagen.

Was passiert mit denen, die dennoch kommen und dann vor diesen Barrieren schwimmen?

In der Tat beschränkt sich die Regierung zurzeit darauf zu sagen, dass die Barrieren das Militär dabei unterstützen sollen, die Flüchtlingsströme zu reduzieren. Wie genau die Schlauchboote abgefangen werden sollen, erklärt weder die Ausschreibung noch gab es hierzu eine Stellungnahme der Regierung. In der Ausschreibung werden nur die Gründe – die gestiegenen Flüchtlingszahlen – dargelegt. Wie das funktionieren soll, ohne die Menschen einfach ertrinken zu lassen oder in die Türkei zurückzuschicken, hat die Regierung noch nicht erklärt.

Die Zahl der Flüchtlinge ist innerhalb eines Jahres um das Dreifache gestiegen. 40'000 Flüchtlinge leben in Lagern, in denen katastrophale Zustände herrschen. Es gibt Demonstrationen der Inselbewohner gegen die Lager. Lösen die Barrieren diese Probleme?

Die Barrieren müssen innerhalb des Rahmens gesehen werden, den die griechische Regierung für ihre Flüchtlingspolitik festgesetzt hat. Sie plant geschlossene Flüchtlingscamps statt den bisher offenen, sie will Flüchtlinge aufs ganze Land verteilen, um die Inseln zu entlasten, sie will Asylbewerber schneller abschieben und setzt auf mehr Kontrolle. Die Eindämmung hat sie sich im Wahlkampf auf die Fahne geschrieben. Zusammen mit diesen Massnahmen muss auch diese «schwimmende Mauer» eingeordnet werden.

Ob sie damit das Problem löst, bleibt fragwürdig. Erstens ist die Barriere «nur» 2.7 Kilometer lang und begrenzt so nur einen Bruchteil der Meeresgrenzen. Zweitens: Die Menschen werden weiterhin versuchen, nach Griechenland und in die EU zu kommen – auch wenn sie andere Fluchtrouten nehmen müssen oder ihre Flucht gefährlicher wird.

Das Ganze erinnert an die Argumentation der ungarischen Regierung. Im Hintergrund steht die Uneinigkeit der europäischen Länder, wie man mit der Flüchtlingsproblematik umgehen soll. Prescht Griechenland jetzt vor?

In der Tat fühlt sich Griechenland im Stich gelassen. Es gibt keine gemeinsame Flüchtlingspolitik im Sinne einer Aufteilung der ankommenden Flüchtlinge. Es ist aber auch eine Frage der Ideologie und der Menschenrechte. Will man Menschen, die Asyl beantragen wollen, diese Möglichkeit geben – oder ist man bereit, alles zu tun, damit diese Menschen gar nicht erst ankommen? Die griechische Regierung setzt da – wie viele andere konservative Regierungen in Europa – auf Sicherheit und Abschottung.

Wie kommt es in Griechenland selber an, sorgt es für Diskussionsstoff?

Gestern gab es Postings in den sozialen Netzwerken zum Thema. Im Moment liegen aber viele andere Nachrichten in Griechenland im Fokus, unter anderem der Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Frankreich oder ein umstrittenes Verteidigungsabkommen mit den USA, wogegen am Donnerstag demonstriert werden wird. Das alles stellt die Barrieren im Moment in den Schatten. Ich glaube, das Thema wird heute erst im Laufe des Tages richtig Fahrt aufnehmen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

Eine schwimmende Mauer mit Blinklichter

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Die Barrieren oder Netze mit einer Länge von rund drei Kilometern sollen im «Notfall» gegen Flüchtlinge eingesetzt werden, die aus der benachbarten Türkei kommen. Die Barrieren oder Netze sollen von den griechischen Streitkräften angebracht werden.

Laut den Behörden werden sie einen halben Meter aus dem Wasser herausragen – und mit blinkenden Lichtern ausgestattet sein. Die geschätzten Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich laut der Ausschreibung auf eine halbe Million Euro.

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