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Selenski in den USA Ein Besuch zur gegenseitigen Rückversicherung

Die Kreml-Führung zeigt keinerlei Bereitschaft, ihren Krieg gegen die Ukraine zu stoppen. Dieser kann sich also noch Monate oder gar Jahre hinziehen. Kriegsmüdigkeit zeigt sich hingegen in Europa, wo man zwar weiterhin in warmen Stuben sitzt, aber manchen die Folgen des Konflikts lästig werden.

Auch in den USA zeigen sich solche Neigungen, vor allem bei den Republikanern, die ab Januar im Repräsentantenhaus den Ton angeben. Genau darauf setzt Staatschef Wladimir Putin: Dass dem Westen die Unterstützung der Ukraine verleidet.

Umso wichtiger war nun Selenskis Blitzvisite in Washington. Dass sie nicht nach Brüssel, Berlin oder Paris führte, ist kein Zufall. Zwar unterstützen auch europäische Nato-Partner die Ukraine – finanziell, militärisch und indem sie Millionen von Flüchtlingen aufnehmen. Ausschlaggebend ist indes der Beistand der USA.

Gegenseitige Rückversicherung

Die Reise des ukrainischen Präsidenten bot nun seinem US-Amtskollegen Joe Biden die Gelegenheit zu unterstreichen, dass diese Hilfe geleistet wird, so lange wie nötig und so sehr wie nötig. Das Signal an die Adresse Moskaus ist entscheidend. Es ist zugleich ein Aufruf an die Europäer, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen.

Die Begegnung im Weissen Haus und Selenskis Auftritt im US-Kongress waren deshalb in allererster Linie Demonstrationen der gegenseitigen Rückversicherung: Wir halten zusammen und ziehen an einem Strick.

Reaktion auf Russlands Raketenterror

Das war auch deshalb wichtig, weil das Vertrauen zwischen Biden und Selenski keineswegs unbegrenzt ist. Die beiden kennen einander persönlich wenig. Der Amerikaner äusserte wiederholt Zweifel, ob der Ukrainer der richtige Mann zur richtigen Zeit ist. Der Ukrainer wiederum warf dem Westen Zögerlichkeit vor. Nun knüpften sie engere Bande. Das sollte die Verständigung künftig erleichtern.

Jetzt erhält Selenski auch das lange geforderte, aber ebenso lange von der Biden-Regierung verweigerte wirksame Patriot-Abwehrsystem. Erst der anhaltende Raketenterror der Russen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung bewog die USA nun zu ersten Lieferungen.

Wichtige historische Parallele

Im Zusammenhang mit Selenskis Washington-Besuch mitten im Krieg wird an jene des britischen Premiers Winston Churchill 1941 bei US-Präsident Franklin Roosevelt erinnert. Natürlich gibt es Unterschiede, aber eben auch eine wichtige Parallele: In beiden Fällen ging es um einen Krieg, der von einem machtbesessenen Diktator ausgelöst wurde. Und in beiden Fällen brauchte es und braucht es jetzt die USA, um dem wirksam etwas entgegenzuhalten.

Die Bedeutung des Ukraine-Krieges reicht weit über die Ukraine hinaus. Es geht um die völkerrechtliche Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen und in die UNO-Charta gegossen wurde. In deren Zentrum stehen die Souveränität von Staaten und die Unverletzlichkeit von Grenzen und Territorien.

Verliert Russland, wird diese Ordnung gestärkt. Verliert die Ukraine, verstünden das andere Machttrunkene als Einladung, sich ihrerseits Gebiete oder ganze Länder einzuverleiben. Das hiesse dauerhafte globale Instabilität. Auch gegen diese Perspektive setzte Biden bei Selenskis Besuch ein klares Signal. 

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Heute Morgen, 22.12.2022, 6 Uhr

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