In Frankreich hat heute der staatlich regulierte, vierwöchige Sommer-Ausverkauf begonnen. Es locken 40-, 60-, 70-prozentige Preisnachlässe. Viele Modeboutiquen- und Ladeninhaber sitzen nach der Pandemie-bedingten Schliessung auf vollen Lagern und sind finanziell am Anschlag. Bis anhin gaben Französinnen und Franzosen durchschnittlich 200 bis 250 Euro im Schlussverkauf aus.
Wir haben nicht gearbeitet, können also auch nicht viel ausgeben. Covid hat uns ruiniert, erledigt.
Doch das war vor der Krise. «Wir haben nicht gearbeitet, können also auch nicht viel ausgeben. Covid hat uns ruiniert, erledigt», sagt Anifa A. mit einem bitteren Lachen. Andere geben an, ihr Budget reduziert zu haben, man wolle schliesslich noch in die Ferien fahren.
Lieber sparen als shoppen
55 Tage dauerte die strikte Ausgangssperre in Frankreich, während der alle Läden ausser jenen des täglichen Bedarfs geschlossen blieben. In Frankreich wurden dadurch 60 Milliarden Euro angespart. Die Chancen, dass diese Milliarden jetzt ausgegeben werden, sind laut dem Handels- und Vertriebsexperten Yves Marin allerdings sehr gering: «Die Franzosen werden ihr Sparschweinchen kaum antasten, aus Angst vor einer neuen Ansteckungswelle oder einer weiteren Ausgangssperre, um für mögliche Katastrophen gewappnet zu sein.»
Die Franzosen werden ihr Sparschweinchen kaum antasten, aus Angst vor einer neuen Ansteckungswelle oder einer weiteren Ausgangssperre, um für mögliche Katastrophen gewappnet zu sein.
Dabei bräuchten nicht wenige eine neue Garderobe, meint der Experte augenzwinkernd. «Im Schnitt haben die Franzosen 2.5 Kilogramm zugenommen und die Hosen spannen.» Doch die Lust zu konsumieren, sie sei nicht vorhanden. Weltweit habe gerade der Textilhandel ein Viertel seines Volumens verloren.
Keine Impuls-Käufe
Um sogenannte Impuls-Käufe zu tätigen, braucht es Geld – und Lust. Diese kann einem vergehen, wenn man eine Schutzmaske tragen, alle paar Minuten die Hände desinfizieren, eventuell wegen der begrenzten Anzahl Kunden vor dem Geschäft anstehen und dazu noch die Kleider zuhause anprobieren muss. «Da kann ich die Sachen gleich im Internet bestellen», meint Sophie B.
Ich weiss nicht, wie es weitergeht. Jeder Tag ist ein kleiner Kampf.
Bei den kleinen unabhängigen Einzelhändlern, die schon durch die Gelbwesten-Proteste und Streiks schwer gebeutelt wurden, tendiert die Stimmung gegen null. «Es ist jetzt 11 Uhr 30 und mein Laden ist leer, die Strasse ist leer», stellt Abderrahim Lahlou lakonisch fest. Seine kleine Modeboutique ist seit 30 Jahren an der kleinen, aber feinen Einkaufsstrasse Rue de Commerce im 15. Arrondissement von Paris. Wie lange noch? «Ich weiss nicht, wie es weitergeht. Jeder Tag ist ein kleiner Kampf.»
Es sind düstere Aussichten für unabhängige Ladenbesitzer. Gegen die grossen Ketten und den florierenden Onlinehandel haben sie keine Chance. Covid-19 und die damit verbundene Kauf-Unlust droht ihnen den Rest zu geben.