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Sonderstatus von Nordirland Der Brexit-Sonderstatus von Nordirland ist der Kern des Problems

Zur Wiederherstellung des Friedens in Nordirland will Boris Johnson das Nordirland-Protokoll anpassen.

Was ist das Nordirland-Protokoll? Das Protokoll zu Irland und Nordirland oder kürzer gesagt das Nordirland-Protokoll ist eine Klausel im Brexit-Austrittsvertrag zwischen Grossbritannien und der EU. Es trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Dank des Nordirland-Protokolls gibt es auch nach dem Brexit keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland. Damit sollte verhindert werden, dass der mit brutaler Gewalt ausgetragene Konflikt zwischen Befürwortern und Gegner der irischen Einheit wieder ausbricht. Anstelle einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland ist eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest von Grossbritannien entstanden.

Demonstrierende in Hillsborough Castle fordern Premierminister Johnson auf, das Nordirland-Protokoll zu verändern.
Legende: Demonstrierende in Hillsborough Castle fordern Premierminister Johnson auf, das Nordirland-Protokoll nicht zu verändern. Keystone

Warum ist das Nordirland-Protokoll wieder ein Thema? Der Hintergrund, dass erneut über das Protokoll diskutiert wird, sind die Parlamentswahlen in Nordirland. Sie wurden von der irisch-nationalistischen Partei Sinn Fein gewonnen. Gemäss dem sogenannten Karfreitagsabkommen muss die Regierung in Nordirland von katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten gemeinsam geführt werden. Nun hat die zweitstärkste Partei, die pro-britische Democratic Unionist Party (DUP), angekündigt, aus Protest gegen den Brexit-Sonderstatus von Nordirland der neuen Regierung nicht beizutreten. «Fast noch wichtiger als die Tatsache, dass Sinn Fein gewonnen hat, ist der Umstand, dass es eine Mehrheit von 53 zu 37 Parlamentarierinnen und Parlamentarier gibt, die für die Beibehaltung des Nordirland-Protokolls sind», sagt Holger Hestermeyer, Professor für Völker- und Europarecht am Londoner King’s College.

Wo liegt das Problem? Es wird sowohl von der DUP als auch von der britischen Regierung befürchtet, dass sich Nordirland von London entfremdet. Die Situation mit dem Nordirland-Protokoll führe zu «inakzeptablen Störungen» im binnenbritischen Handel und habe zu einer Zweiklassengesellschaft geführt, so die britische Aussenministerin Liz Truss. Die Nordiren würden anders behandelt als die übrigen Einwohner des Vereinigten Königreichs.

Was ängstigt die DUP? Im Nordirland-Protokoll ist vorgesehen, dass 2024 eine Abstimmung über eben dieses Protokoll durchgeführt wird. «Bis anhin ginge die Unionisten davon aus, dass sie diese Abstimmung gegen das Protokoll gewinnen werden. Nach den Wahlen sieht es nun nicht mehr danach aus», so Hestermeyer. In der Weigerung, der neuen Regierung beizutreten, sehe die DUP vermutlich die letzte Chance, das Protokoll loszuwerden, so der Völkerrechtler. Es gehe der DUP aber nur vordergründig um Handelsfragen, eigentlich gehe es um die nordirische Identität, die sie zu verlieren glaube.

Wie sagen Boris Johnson und die britische Regierung? Der britische Premierminister Boris Johnson hat eingeräumt, dass die von ihm unterzeichnete Brexit-Vereinbarung mit der EU Schuld an den politischen Problemen in Nordirland sei. Dabei handle es sich um eine direkte Folge des Nordirland-Protokolls, sagte der konservative Regierungschef am Montagabend in der BBC. Johnson kündigte ein Gesetzgebungsverfahren an, um notfalls die Vereinbarungen mit der EU über den Brexit-Status von Nordirland auszuhebeln. Dieses Ansinnen wird von Sinn Fein als «absolut ungeheuerlich» kritisiert.

Was passiert, wenn Grossbritannien das Nordirland-Protokoll kündigt? Für diesen Fall droht die EU damit, den gesamten Brexit-Handelsvertrag aufzulösen. Dies könnte schlimmstenfalls zu einem Handelskrieg mit der EU führen.

SRF 4 News, 17.05.2022, 09:16 Uhr ; 

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