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SpaceX Raumfahrt-Experte: «Was Elon Musk anbietet, ist ein Taxi-Service»

In der Nacht auf Montag hat die US-Raumfahrt-Behörde Nasa vier Astronauten in Richtung Internationale Raumstation ISS losgeschickt. Die Mission startete von Cape Canaveral in Florida. Es ist die erste bemannte Mission der Nasa mit einem Raumschiff eines privaten Unternehmens – von der Firma SpaceX des Tesla-Gründers Elon Musk. Raumfahrt sei künftig wohl nur noch mit privater Beteiligung möglich, denkt Volker Gass vom Swiss Space Center.

Volker Gass

Ingenieur

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Volker Gass ist Direktor des Swiss Space Center ( SSC ) und Professor an der EPFL in Lausanne.

SRF News: Eine Nasa-Mission mit privater Beteiligung – ist das die Zukunft der Raumfahrt?

Volker Gass: Ja, ich glaube, das ist wirklich die Zukunft. Insbesondere, wenn die Raumfahrtziele nahe an der Erde sind. Das bedeutet, die Staaten müssen sich weniger einmischen und lassen Möglichkeiten für Privatakteure, dort mitzuspielen.

Was ist der Grund dafür, dass private Akteure da mittun?

Es ist wie ein Taxi-Service. Was Elon Musk mit SpaceX anbietet, ist die Möglichkeit für Menschen, in die tiefe Umlaufbahn zu gehen, also auf ein paar hundert Kilometer hoch. Das ist einfacher geworden, darum muss sich der Staat nicht mehr mit seinen grossen Mitteln darum kümmern und kann diese Verantwortung abgeben.

Astronauten der Crew Dragon
Legende: An Bord der «Crew Dragon»: Die amerikanischen Nasa-Astronauten Victor Glover, Michael Hopkins und Shannon Walker sowie der japanische Astronaut Soichi Noguchi. Keystone

Die Rede ist davon, dass das All immer mehr zum Tummelplatz der Milliardäre werde. Ist das wünschenswert?

Ja und Nein. Wenn es tatsächlich ein Tummelplatz der Milliardäre werden soll, wäre ich eher dagegen. Wenn aber Grossfirmen mit Stellen Möglichkeiten geben, dass wir bessere Kommunikation auf der Erde haben und auch kleinere Unternehmen mitspielen können, finde ich das gut.

Während des Kalten Krieges war die Raumfahrt ein wichtiger Schauplatz. Es gab quasi einen Wettlauf ins All. Nun ist es ein Wettbewerb unter Privaten. Wiederholt sich die Geschichte?

Das kann man so sagen. Ein Satellit kann die Erde mittlerweile in 90 Minuten umkreisen. Das Weltall ist sehr wichtig, speziell das Weltall, das in der Nähe ist. Aus 300 bis 400 Kilometern sind Bilder mit hoher Auflösung möglich. Man kann von dort aus zum Beispiel die Agrarindustrie beobachten: Von New York aus sehen, ob die Reisernte in Asien gut sein wird – ein paar Wochen oder Monate im Voraus –, und entsprechend Entscheidungen treffen, die ökonomisch und gesellschaftlich einen grossen Einfluss haben können.

Vom All aus kann man sehen, ob die Reisernte in Asien gut sein wird – ein paar Wochen oder Monate im Voraus –, und entsprechend Entscheidungen treffen.

Der Wettlauf spielt sich aber heute nicht mehr auf politischer Ebene ab, sondern eher auf grossindustrieller Ebene – wer kriegt das Segment, wer kann seine Dienstleistungen anbieten und dort das grosse Geld machen.

Es ist das zweite Mal seit neun Jahren, dass Astronauten wieder von amerikanischem Boden aus ins All gestartet sind. Wie wichtig ist das für die Nasa?

Ich glaube, die Nasa möchte jetzt beweisen können, dass sie wieder vom amerikanischen Boden aus Menschen ins All schicken kann. Während neun Jahren war sie von den Russen abhängig. Das ist aus politischer Sicht natürlich nicht sehr gut.

Die Vorgeschichte

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In den vergangenen Jahren waren US-Astronauten auf russische Raketen angewiesen, um zur ISS zu kommen. Die Nasa hatte ihr Shuttle-Programm wegen hoher Kosten und nach zwei Unglücken vor neun Jahren eingestellt.

Um wieder unabhängiger von Russland zu werden, beauftragte die US-Regierung unter Donald Trumps Vorgänger Barack Obama das Unternehmen SpaceX sowie den Luftfahrtriesen Boeing mit dem Bau von Raumfähren. Die «Starliner»-Kapsel von Boeing befindet sich aber noch in der Testphase und wird erwartungsgemäss nicht vor 2021 fertig.

Für SpaceX ist der jetzt geglückte Raumflug deshalb auch eine Chance, sich als US-Marktführer in der Raumfahrt in Stellung zu bringen. Ende Mai hatte das Unternehmen zum ersten Mal erfolgreich zwei US-Astronauten zu einer zweimonatigen Mission zur ISS geschickt. ( sda )

Jetzt werden auch Russen mit SpaceX ins All starten können. Die Amerikaner werden dann im Gegenzug immer noch ab und zu einen amerikanischen Astronauten mit der Sojus hochschicken. Dieser Austausch schafft wieder etwas mehr Ausgleich zwischen den beiden grossen Akteuren.

Das Gespräch führte Raphaël Günther.

SRF 4 News, 16.11.2020, 10.15 Uhr ; 

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