Frank-Walter Steinmeier hatte schon eine beachtliche Karriere als Politiker und Behördenleiter hinter sich, als er ins Schloss Bellevue einzog, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Bei seiner Antrittsrede legte er den Finger auf einen wunden Punkt der Demokratie:
Wer heute in Deutschland seinen Sorgen Luft macht und dabei ruft, ‹Wir sind das Volk!›, der darf das gerne. Aber der muss auch hinnehmen, dass andere Leute mit anderen Ansichten diesen stolzen Satz genauso beanspruchen.
Steinmeier wollte die Demokratie stärken. Und die war in seiner Amtszeit oft herausgefordert. Rechtsextreme Morde gab es am Politiker Walter Lübcke, beim Anschlag auf die Synagoge in Halle oder beim Anschlag in Hanau.
«Ich bin hier, weil mich zutiefst bedrückt, dass unser Staat sein Versprechen von Schutz und Sicherheit und Freiheit – das er allen gibt, die hier gemeinsam friedlich leben –, dass er dieses Versprechen gegenüber ihren Angehörigen nicht hat einhalten können.» Nationaler Seelentröster und Mahner soll er sein. Seine Macht liegt im Wort. Überparteilich und konsensorientiert wie er ist, ist es auch leicht, beliebt zu sein.
Worte mit Bedeutung und Wirkung
Eine besondere Herausforderung für jeden deutschen Bundespräsidenten sind stets die Reisen nach Israel, die traumatische Geschichte als schwere Last im Gepäck. Zum 75. Tag der Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz sprach Steinmeier in der Gedenkstätte Yad Vashem, und es gelang ihm offenbar, die richtigen Worte zu wählen, sagte eine Journalistin des israelischen Fernsehens im ZDF.
«Ich hatte richtige Gänsehaut, positive Gänsehaut», so die Journalistin. Für ihn sei das als deutscher Präsident wahrscheinlich nicht sehr leicht gewesen, nach Mike Pence, Emmanuel Macron und Wladimir Putin diese Rede zu halten. «Das Publikum jubelte und die israelischen Medien haben es natürlich auch zum Thema gemacht.»
Frank-Walter Steinmeier hatte stets auch den Dialog gepflegt mit der Bevölkerung, sie an Kaffeetafeln eingeladen und er ging in die sozialen Netzwerke, wo die Jungen sind. Nun folgt wahrscheinlich eine zweite Amtszeit.
Steinmeier wird am Sonntag bei der Wahl wohl eine komfortable Mehrheit haben. Neben den Ampel-Parteien hat sich auch die oppositionelle Union für ihn ausgesprochen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte es in der ARD so: «Er findet in schweren Zeiten die richtigen Worte. Er hat den Kompass und das Verständnis für die Menschen, aber auch klare Haltungen und klare Ansichten.»
Und er gebe nicht nur Mut in schweren Coronazeiten, sondern auch damals in der schwierigen Phase bei der Frage einer Regierungsstabilität: «Nach dem Scheitern der Jamaika-Runde war es ein wesentlicher Ansatz von ihm, dafür zu sorgen, dass es am Ende zu einer guten demokratischen Lösung für eine Grosse Koalition gekommen ist.»
Weitere Hürden erwarten ihn
Tatsächlich war das die Leistung von Steinmeier, die in Erinnerung bleiben wird. Es war, so hat es ein Journalist geschrieben, «Demokratiehistorisches Neuland». Neuland wird auch die sozioökologische Transformation der deutschen Wirtschaft sein, die die neue Regierung plant. Hier als Bundespräsident die Bevölkerung zu animieren und gleichzeitig deren Anwalt zu sein, wird keine leichte Aufgabe.