Das einstige Armenhaus Europas erlebt goldige Zeiten: Irlands Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 9.4 Prozent gewachsen. 2021 waren es gar rund 15 Prozent gewesen. Sogar während der Pandemie wuchs Irlands Bruttoinlandprodukt, angetrieben durch den Online-Boom, der den internationalen Tech-Konzernen Flügel verliehen hat. Viele von ihnen haben grosse Filialen in Irland.
In ihrem Windschatten wachsen zahlreiche Start-ups heran – wie CreditLogic. Das Start-up wurde vor fünf Jahren in Dublin gegründet und hat zum Ziel, die Vergabe von Krediten zu beschleunigen. Heute vergehen Wochen, bis Bankkunden und -berater alle nötigen Dokumente ausgetauscht und die Kreditprüfung abgeschlossen haben.
Das gehe in einem Zehntel der heute benötigten Zeit, preist CreditLogic-Mitgründer Gavin Bennett seine Software. «Die Bankkunden von heute sind gewohnt, dass alles schnell geht. Wenn sie einen Kredit beantragen, erwarten sie sofort Antwort, sonst gehen sie zu einer anderen Bank.»
Wir möchten irische Firmen so weit bringen, dass sie gleich viel oder sogar mehr zum Wachstum beitragen wie die internationalen Konzerne.
Mehrere Banken in Griechenland und Spanien wollen die Software bald einführen. CreditLogic beschäftigt bereits 23 Personen – fünf Jahre nach der ersten Idee.
Gründerzeit in Dublin – dank staatlicher Unterstützung
Die irische Hauptstadt kennt viele solcher Erfolgsgeschichten und gilt heute als Silicon Valley Europas. Die Firmengründungen werden vom irischen Staat kräftig gefördert – über die Förderagentur «Enterprise Ireland». Diese verfolgt ein ambitioniertes Ziel, wie Anne Lanigan, Abteilungsleiterin für Technologie und Entwicklung, umreisst: «Wir möchten irische Firmen so weit bringen, dass sie gleich viel oder sogar mehr zum Wachstum beitragen wie die internationalen Konzerne.»
800 Mitarbeitende begleiten Firmengründerinnen und -gründer von der ersten Idee bis zur allfälligen Eröffnung von Zweigstellen im Ausland. Wenn ein Jungunternehmen von der Agentur nach eingehender Prüfung als förderungswürdig eingestuft wird, können 100'000 Euro Fördergelder abgeholt werden.
Dass in Irland der Staat anstelle von privaten Investoren Start-ups mit Anfangskapital versorge, habe einen einfachen Grund, so Lanigan: «Anders als die Schweiz, zum Beispiel, hat Irland keine alteingesessenen, kapitalstarken Unternehmerfamilien, die neue Investitionsmöglichkeiten suchen.»
Einheimische IT-Firmen als Job-Motoren der Zukunft
Die staatliche Förderung hat einen weiteren Grund: Internationale Grosskonzerne – wie Apple, Amazon und Co. – tragen gegenwärtig kräftig zum Boom in Irland bei. Ins Land gekommen sind sie ursprünglich der tiefen Steuern wegen – und sie könnten ihre Aktivitäten wieder herunterfahren, ist sich die irische Regierung bewusst. Sie hat deshalb jahrelang standhaft Widerstand geleistet gegen einen international gültigen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für Unternehmen.
Auf Anfang 2024 führt ihn Irland nun auch ein – und muss seine Steuerdeals für internationale Konzerne sowie den Tiefsteuersatz von 12.5 Prozent aufgeben.
Ich bin zuversichtlich, dass meine Kinder hier eine gute Zukunft haben werden – und nicht auswandern müssen.
Um von internationalen Konzernen unabhängiger zu werden, fördert der irische Staat deshalb einheimische Jungunternehmen – wie CreditLogic. Jungunternehmer Gavin Bennett freuts: «Ich bin zuversichtlich, dass meine Kinder hier eine gute Zukunft haben werden – und nicht auswandern müssen.»
Irland – das frühere Auswandererland – ist ein blühender Wirtschaftsstandort geworden.