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Irlands Wirtschaft boomt – dank Tech-Unternehmen
Aus Tagesschau vom 11.11.2023.
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Starkes Wirtschaftswachstum Tech-Firmen bescheren Irland goldene Zeiten

Irland hat die grossen Tech-Firmen der Welt mit tiefen Steuern angelockt. In deren Windschatten wachsen viele Start-ups heran, die vom Staat gezielt gefördert werden.

Das einstige Armenhaus Europas erlebt goldige Zeiten: Irlands Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 9.4 Prozent gewachsen. 2021 waren es gar rund 15 Prozent gewesen. Sogar während der Pandemie wuchs Irlands Bruttoinlandprodukt, angetrieben durch den Online-Boom, der den internationalen Tech-Konzernen Flügel verliehen hat. Viele von ihnen haben grosse Filialen in Irland.

In ihrem Windschatten wachsen zahlreiche Start-ups heran – wie CreditLogic. Das Start-up wurde vor fünf Jahren in Dublin gegründet und hat zum Ziel, die Vergabe von Krediten zu beschleunigen. Heute vergehen Wochen, bis Bankkunden und -berater alle nötigen Dokumente ausgetauscht und die Kreditprüfung abgeschlossen haben.

Gavin Bennett schaut in die Kamera.
Legende: Gavin Bennett ist gelernter Banker und hat vor fünf Jahren das Start-up CreditLogic mitgegründet. srf

Das gehe in einem Zehntel der heute benötigten Zeit, preist CreditLogic-Mitgründer Gavin Bennett seine Software. «Die Bankkunden von heute sind gewohnt, dass alles schnell geht. Wenn sie einen Kredit beantragen, erwarten sie sofort Antwort, sonst gehen sie zu einer anderen Bank.»

Wir möchten irische Firmen so weit bringen, dass sie gleich viel oder sogar mehr zum Wachstum beitragen wie die internationalen Konzerne.
Autor: Anne Lanigan Abteilungsleiterin Förderagentur «Enterprise Ireland»

Mehrere Banken in Griechenland und Spanien wollen die Software bald einführen. CreditLogic beschäftigt bereits 23 Personen – fünf Jahre nach der ersten Idee.

Gründerzeit in Dublin – dank staatlicher Unterstützung

Die irische Hauptstadt kennt viele solcher Erfolgsgeschichten und gilt heute als Silicon Valley Europas. Die Firmengründungen werden vom irischen Staat kräftig gefördert – über die Förderagentur «Enterprise Ireland». Diese verfolgt ein ambitioniertes Ziel, wie Anne Lanigan, Abteilungsleiterin für Technologie und Entwicklung, umreisst: «Wir möchten irische Firmen so weit bringen, dass sie gleich viel oder sogar mehr zum Wachstum beitragen wie die internationalen Konzerne.»

800 Mitarbeitende begleiten Firmengründerinnen und -gründer von der ersten Idee bis zur allfälligen Eröffnung von Zweigstellen im Ausland. Wenn ein Jungunternehmen von der Agentur nach eingehender Prüfung als förderungswürdig eingestuft wird, können 100'000 Euro Fördergelder abgeholt werden.

Das Hafenviertel von Dublin von oben.
Legende: Das Hafenviertel von Dublin verwandelte sich zu einem Silicon Valley Europas, mit kleineren Start-ups oder Tech-Giganten wie Google. srf

Dass in Irland der Staat anstelle von privaten Investoren Start-ups mit Anfangskapital versorge, habe einen einfachen Grund, so Lanigan: «Anders als die Schweiz, zum Beispiel, hat Irland keine alteingesessenen, kapitalstarken Unternehmerfamilien, die neue Investitionsmöglichkeiten suchen.»

Einheimische IT-Firmen als Job-Motoren der Zukunft

Die staatliche Förderung hat einen weiteren Grund: Internationale Grosskonzerne – wie Apple, Amazon und Co. – tragen gegenwärtig kräftig zum Boom in Irland bei. Ins Land gekommen sind sie ursprünglich der tiefen Steuern wegen – und sie könnten ihre Aktivitäten wieder herunterfahren, ist sich die irische Regierung bewusst. Sie hat deshalb jahrelang standhaft Widerstand geleistet gegen einen international gültigen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für Unternehmen.

Auf Anfang 2024 führt ihn Irland nun auch ein – und muss seine Steuerdeals für internationale Konzerne sowie den Tiefsteuersatz von 12.5 Prozent aufgeben.

Ich bin zuversichtlich, dass meine Kinder hier eine gute Zukunft haben werden – und nicht auswandern müssen.
Autor: Gavin Bennett CreditLogic-Mitgründer

Um von internationalen Konzernen unabhängiger zu werden, fördert der irische Staat deshalb einheimische Jungunternehmen – wie CreditLogic. Jungunternehmer Gavin Bennett freuts: «Ich bin zuversichtlich, dass meine Kinder hier eine gute Zukunft haben werden – und nicht auswandern müssen.»

Irland – das frühere Auswandererland – ist ein blühender Wirtschaftsstandort geworden.

Schattenseite: Rekordhohe Zuwanderung führt zu Wohnungsnot

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Das starke Wirtschaftswachstum führt zu einem neuen Zuwanderungsrekord: Ende April 2023 zählte Irland 5.28 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. 141'600 davon sind in den 12 Monaten davor zugewandert, rund 40'000 davon aus der Ukraine. Die Zuwanderung war seit 2007 nie mehr so hoch wie jetzt.

Das hat Folgen für den Wohnungsmarkt: Bezahlbarer Wohnraum wird rar. Und die Zahl der Obdachlosen steigt stark an, wie Mendicity, ein Hilfswerk für Obdachlose, feststellt: «Irland zählt gegenwärtig rund 12'000 Obdachlose», sagt Mendicity-Direktorin Louisa Santoro gegenüber der französischen Zeitung «Le Monde». «Die Wohnungsnot betrifft alle Teile der Bevölkerung. Irland ist reich und sollte allen Einwohnerinnen und Einwohnern ein Dach über dem Kopf garantieren können.»

Doch das klappt nicht: Die Bautätigkeit hält nicht mit der starken Nachfrage mit – eine Spätfolge der Immobilienkrise, die das Land in der Folge der internationalen Finanzkrise von 2008 erlebt hat und die damals faktisch zu einem mehrjährigen Baustopp von neuen Wohnungen geführt hat.

Auch der Bau von Sozialwohnungen wurde nach der Finanzkrise stark reduziert und bleibe viel zu tief, kritisiert Ann-Marie O’Reilly vom Mieterinnen- und Mieterverband Threshold gegenüber «Le Monde»: «Die Regierung gewährt Sozialhilfebedürftigen lieber Mietzuschüsse, damit sie auf dem Wohnungsmarkt etwas mieten können, statt mehr Sozialwohnungen zu bauen.» Das verstärke die Wohnungsknappheit noch zusätzlich und treibe die Mieten weiter in die Höhe.

Tagesschau, 11.11.2023, 19:30 Uhr

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