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US-Präsident in Nordirland Joe Biden zeigt in Irland seine Prioritäten

«The most Irish president since J.F. Kennedy» pflegen Zeitungen auf der irischen Insel Joe Biden gelegentlich zu nennen. Der amtierende US-Präsident fühlt sich seinen irischen Wurzeln tief verbunden.

Trotzdem ist der Besuch kein Familienausflug. Der Frieden vom Karfreitag ist wohl das wichtigste Dokument, das im Vereinigten Königreich in den vergangenen 50 Jahren unterzeichnet wurde. Nach langen und zähen Verhandlungen wurde vor 25 Jahren in Nordirland ein blutiger Bürgerkrieg beendet. Möglich machten dies die Kompromissbereitschaft und der gute Wille der Konfliktparteien.

Entscheidende Rolle der USA

Eine entscheidende Rolle spielten jedoch auch die Vereinigten Staaten. US-Senator George Mitchell war ein wichtiger Verhandlungsführer. In der Endphase der Verhandlungen soll auch der damalige US-Präsident Bill Clinton fernmündlich aus dem Weissen Haus wankelmütige Verhandlungspartner auf Kurs gebracht haben.

Bis heute haben die USA die Schirmherrschaft über das Abkommen behalten. Das war während des Brexits augenscheinlich. Das Scheidungsdrama hat das fragile Zusammenleben in Nordirland arg strapaziert. Boris Johnson spielte mit dem Feuer und machte den Nordirinnen und Nordiren falsche Versprechungen.

Belfast ja – Krönung nein

Es war die US-Administration, welche die britische Regierung regelmässig ermahnte, den Frieden zu schützen. Ansonsten werde es zwischen Washington und London nie zum gewünschten Freihandelsabkommen kommen. Selbst in diesen Tagen zeigt Joe Biden subtil, wo für ihn die Prioritäten liegen. Er landet zwar heute in Belfast, aber von der Krönung von König Charles in London hat er sich abgemeldet.

Seit 1998 explodieren in Nordirland keine Bomben mehr. Niemand muss mehr Angst haben, wenn er morgens in einem Schulbus sitzt. Doch die Wunden sind längst nicht verheilt. Das Misstrauen ist geblieben.

Ein langer Weg

Am Ostermontag brannte in Derry nach Ausschreitungen ein Jeep der Polizei. Vor wenigen Wochen wurde auf einen Polizisten geschossen. Seit einem Jahr hat Nordirland keine funktionierende Regierung. Die Hoffnung, dass das Jubiläum die probritischen Unionisten zur Vernunft bringen könnte, hat sich nicht bestätigt.

Aus Frust über das Nordirland-Protokoll bleiben sie dem Parlament weiterhin fern. Joe Biden hat sich aus diesem Grund geweigert, vor dem nordirischen «Geisterparlament» zu sprechen. Er wird den Parteien stattdessen in der Aula der Ulster-Universität in Belfast ins Gewissen reden, denn der Weg zur Versöhnung ist in Nordirland noch lange nicht zu Ende.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Echo der Zeit, 11.04.2023, 18:00 Uhr

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