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Stationäre Grenzkontrollen Deutschland: Zahl illegaler Einreisen stark gesunken

Seit Mitte Oktober steht die deutsche Bundespolizei wieder an den Binnengrenzen. Die stationären Kontrollen sind aber wohl eher weniger für den Rückgang an illegaler Migration verantwortlich.

Es sind beeindruckende Zahlen:  Im vergangenen Monat sank die Zahl illegaler Einreisen nach Deutschland von 18‘382 im Oktober auf 4353 im November. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag hervor. Innenministerin Nancy Faeser wertet dies als Erfolg der wieder eingeführten fixen Kontrollen an den östlichen und südlichen Binnengrenzen. Kontrollen, die innerhalb des Schengenraums eigentlich nicht mehr vorgesehen sind. Kurzfristig kann ein Land sie wieder einführen, doch die Möglichkeit ist auf zwei Monate befristet. Es ist jedoch absehbar, dass Deutschland die Kontrollen zumindest an den Grenzen zu Polen und Tschechien längerfristig beibehalten will.

Eine Polizistin kontrolliert Fahrzeuge an einem Grenzübergang.
Legende: Die Zahl der illegalen Einreisen nach Deutschland ist im November stark zurückgegangen. Keystone/Frank Hammerschmid

Viele Kontrollen, wenig Wirkung: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) führt den starken Rückgang an illegalen Einreisen allerdings nur zu einem geringen Teil auf die Grenzkontrollen zurück. Denn damit komme kein Asylbewerber weniger nach Deutschland, betont der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Sven Hüber: «Bei den illegalen Grenzübertritten ist alles dabei. Auch der chinesische Student, dessen Visum abgelaufen ist. Das waren keine Flüchtlinge, die abgewiesen wurden. Das muss man mal deutlich sagen.» Internationales Recht gelte nach wie vor. «Wer die deutsche Grenze erreicht und um Asyl bittet, ist einzulassen und den Erstaufnahmeeinrichtungen des Bundesamts für Migration zu übergeben.» Laut der aktuellen Statistik des Bundesamts steigt die Zahl der Asylanträge denn auch unvermindert an, auf 304‘581 bis Ende November. 60 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode.

Kurzfristiger Effekt: Für den österreichischen Migrationsforscher Gerald Knaus können die stationären Grenzkontrollen allenfalls einen kurzfristigen Effekt haben. Wer abgewiesen werde, werde es ein zweites, drittes, viertes Mal versuchen. «Die Vorstellung, dass Menschen, die sehr, sehr viele gefährliche Grenzen irregulär überschritten haben (...), dass die sich aufgrund rechtsstaatlicher Kontrollen deutscher Polizisten entmutigen lassen, ist einfach unrealistisch.» Wenn man irreguläre Migration wirklich reduzieren wolle, dann müsse man es an den Aussengrenzen tun. Die wichtigsten für Deutschland sind jene zu Griechenland, zu Bulgarien und der Türkei. «Syrer, Afghanen, Iraker, Iraner, auch Türken kommen vor allem über Südosteuropa. Die wird man auch nicht im Balkan stoppen. Man müsste sich auf die Aussengrenzen konzentrieren, auf Migrationsabkommen mit der Türkei, auch auf Rückführungen ab Stichtagen. Das könnte dazu führen, dass weniger Menschen kommen», ist Knaus überzeugt.

Gefahrenabwägung: Für Polizeigewerkschafter Hüber geht die Bundesregierung mit den personalintensiven stationären Grenzkontrollen auch ein gewisses Sicherheitsrisiko ein. «Wir haben eine Terrorlage, wir haben eine Bedrohungslage aus dem Nahostkonflikt heraus. Und die Polizisten, die jetzt an der Grenze stehen, die fehlen im Inland.»

Ein Blick über die Grenze zeigt: Auch Österreich und Frankreich haben seit Jahren stationäre Grenzkontrollen – aber nicht weniger irreguläre Migration und Asylanträge. Mit Aktionismus allein lässt sich die Migrationskrise nicht bewältigen.

Tagesschau, 7.12.2023, 19:30 Uhr

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