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Steigende Coronazahlen Israel geht in den zweiten Lockdown

  • Israel will angesichts gestiegener Coronavirus-Infektionen einen landesweiten Lockdown mit weitgehenden Beschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger verhängen.
  • Die Massnahme tritt ab Freitag in Kraft.
  • Sie soll für drei Wochen gelten, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag in einer Fernsehansprache.

Unter anderem dürften sich die Bürger dann nur noch maximal 500 Meter von ihren Wohnungen und Häusern entfernen. Schulen und Einkaufszentren würden geschlossen. Der öffentliche Dienst werde eingeschränkt weiter arbeiten. Apotheken dürften geöffnet bleiben, Restaurants und Hotels würden dagegen geschlossen.

Netanjahu
Legende: Chaotische Öffnungs- und Kommunikationspolitik: Für Journalistin Inga Rogg hatte die Regierung Netanjahu ihren Anteil daran, dass Israel von einer zweiten Corona-Welle erfasst wurde. Keystone

In den letzten Tagen verzeichnete Israel teils mehr als 4000 bestätigte Neuinfektionen – und das in einem Land, in dem etwa gleich viele Menschen wie in der Schweiz leben. «Das ist die höchste Pro-Kopf-Zahl weltweit», so Inga Rogg, die für die NZZ aus Israel berichtet.

Ab Freitag begehen viele Menschen in Israel das jüdische Neujahrsfest. «An diesen Feiertagen sollen grosse Versammlungen vermieden werden», so die Journalistin.

Empörung bei Ultraorthodoxen

Das Kabinett stimmte am Sonntagabend gegen den Widerstand einiger Minister für die neuen, drastischen Ausgangsbeschränkungen. Der streng religiöse Wohnungsminister und ehemalige Gesundheitsminister Yaakov Litzman kündigte daraufhin prompt seinen Rücktritt an.

Dieser Eklat reihe sich in schon länger andauernde Querelen im Kabinett, berichtet Rogg. Insbesondere zwischen den Ultraorthodoxen, die Litzman vertritt, und dem zuständigen Corona-Direktor. «Litzman beschwerte sich, dass nun ausgerechnet vor den jüdischen Feiertagen, wenn die Menschen in die Synagogen strömen, ein Lockdown beschlossen wurde.»

Chaotische Öffnungspolitik

Dass die Situation in Israel derart ausser Kontrolle geraten konnte, liegt für Rogg vor allem an der «chaotischen Wiedereröffnung» nach dem ersten Lockdown vom Frühling: «Von einem Tag auf den anderen wurde alles wieder geöffnet, obwohl man sah, dass die Fallzahlen wieder angestiegen sind.»

Ultraorthodoxer Jude mit Schutzmaske
Legende: Just vor dem jüdischen Neujahrsfest wird ein zweiter Lockdown verhängt: Für manche Ultraorthodoxe ist das eine Provokation. Keystone

Zudem habe die Regierung erst im August den besagten Corona-Direktor ernannt, der die fachliche Führung im Corona-Dossier übernommen habe. «Regierungschef Netanjahu war mit anderen Dingen beschäftigt und hat auch selbst ein schlechtes Beispiel abgegeben», so Rogg.

Schliesslich funktioniere das Contact Tracing – also das Nachverfolgen von Infektionsketten im Land – bis heute nicht. «Und angesichts dieses Chaos sank auch in der Bevölkerung die Bereitschaft, sich an die Vorschriften zu halten.» Mit dem Ergebnis, dass Israel nun erneut die Schotten dichtmacht.

SRF 4 News, 14.09.2020, 10:04 Uhr ; 

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