Seit März ist er das Staatsoberhaupt Deutschlands – und jetzt steht Frank-Walter Steinmeier vor seiner bisher grössten Aufgabe: Das Land nach dem Scheitern einer Jamaika-Koalition aus der innenpolitischen Sackgasse zu führen.
Nach acht Jahren als Aussenminister unter Bundeskanzlerin Angela Merkel weiss der SPD-Mann, worauf es auf dem diplomatischen Parkett ankommt. Und genau das ist jetzt gefragt, denn zuerst knöpft er sich nochmal die Chefs der Parteien vor.
Welche Optionen gibt es?
Jamaika kommt doch noch: Die FDP gibt sich derzeit zwar fest entschlossen, dass die Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen endgültig beendet sind. Sie bräuchte ein sehr gutes Angebot, um den Entscheid zu korrigieren und dabei das Gesicht nicht zu verlieren.
Grosse Koalition mit der SPD: Die SPD-Parteispitze hat nach der Bundestagswahl im September eine erneute grosse Koalition kategorisch ausgeschlossen. Sie bekräftige auch am Montag nach dem Scheitern von Jamaika. Stattdessen fordert sie Neuwahlen. Doch der Druck auf die Partei nimmt fast stündlich zu, sich zum Wohle des Landes noch einmal auf eine Koalition mit CDU und CSU einzulassen.
Minderheitsregierung : Merkel äussert sich zwar skeptisch, doch die SPD kann sich sowohl eine Minderheitsregierung wie auch Neuwahlen vorstellen. Eine Minderheitsregierung wäre ein Novum auf deutscher Bundesebene. Dazu müsste Bundespräsident Steinmeier dem Bundestag Merkel als Kandidatin zur Wahl als Bundeskanzlerin vorschlagen. Würde sie gewählt, müsste er entscheiden, ob er sie zur Kanzlerin ernennt und damit eine Minderheitsregierung auf den Weg bringt.
Neuwahlen: Einen neuen Urnengang will der Bundespräsident verhindern. Die Verantwortung zur Regierungsbildung könne man nicht einfach an die Wähler zurückgeben, sagte er. Deshalb versucht er nun, die Blockade in Einzelgesprächen mit den Parteichefs zu lösen. Würde Merkel bei der Kanzlerwahl nur mit relativer Mehrheit gewählt, könnte Steinmeier den Bundestag auflösen. In diesem Fall müsste es innert 60 Tagen Neuwahlen geben.
Steinmeier als Krisenmanager: Drei Fragen, drei Antworten
SRF News: Ist Steinmeier der Aufgabe gewachsen?
Stefan Braun: Ja, er ist ihr absolut gewachsen. Als die damalige grosse Koalition Steinmeier Ende 2016 nominierte, hatte sie bereits im Blick, dass es nach der nächsten Bundestagswahl möglicherweise schwierigere Verhältnisse geben würde – ausgelöst durch die AfD. Jetzt ist der Fall eingetreten. Und ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass Steinmeier dieser Situation nicht gewachsen wäre. Am Montag appellierte er in einer Deutlichkeit an die Parteien, nochmal in sich zu gehen, wie ich es nicht erwartet hätte. Es war richtig, entschieden und an der richtigen Stelle moralisch.
Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass Steinmeier dieser Situation nicht gewachsen sein könnte.
Kanzlerin Angela Merkel musste Steinmeier am Montag ihr Scheitern bei der Regierungsbildung bekannt geben. Wer sagt nun wem, wo es langgeht?
Keiner wird dem anderen sagen, wo es langgeht: Das kann Merkel gegenüber dem Bundespräsidenten nicht und letztenendes kann das auch Steinmeier gegenüber der Kanzlerin nur sehr schwer. Er hat jetzt zwar das Prozedere in der Hand, aber er kann seine Ideen nur über den Bundestag durchbringen. Setzte er eine Kanzlerwahl im Bundestag an, und würde Merkel gewählt, könnte er zwar entscheiden, sie mit einer Minderheitsregierung antreten zu lassen. Wenn die Kanzlerin das aber nicht probieren will, kann ihr der Bundespräsident das nicht vorschreiben. Umgekehrt geht das auch nicht. Zudem weiss Steinmeier, dass Merkel alles versucht hat. Und weil sie alles versucht hat, sind die beiden auch nicht im Clinch.
Steinmeier weiss, dass Merkel alles versucht hat. Und weil sie alles versucht hat, sind die beiden auch nicht im Clinch.
Wird Steinmeier versuchen, die SPD zu einer grossen Koalition zu bewegen?
Ich rechne nicht damit, dass der Bundespräsident die aus Jamaika ausgestiegenen FDP nochmals zum Nachdenken bringt. Bei der SPD ist es ein bisschen anders. Sie hatte erklärt, sie sei jetzt Opposition. Die Botschaft war eindeutig. Allerdings war das der Stand am Abend nach der Wahl vom 24. September. Inzwischen sind acht Wochen vergangen und wir haben eine Situation, in der die SPD sich fragen müsste, ob es richtig sei, zu sagen: ‹Uns doch egal, was da so passiert. Ist eh wurscht, wir sind ja die Opposition.› Sagt nun ausgerechnet der eigene SPD-Mann Steinmeier: ‹Freunde, überlegt euch das nochmal gut. Ich mache nicht einfach Neuwahlen, auch wenn ihr das jetzt ausruft›, dann könnte das in die Sozialdemokratie hineinwirken. Das ist der eigentliche Angelhaken, den Steinmeier hat. Ob es wirklich so kommt, weiss ich nicht, denn die SPD hat sich extrem festgelegt.
Das Gespräch führte Sonja Mühlemann.